Dienstag, 12. November 2019

Generation Discofox statt X, Y, Z. Featuring Jonathan Swift.




Es tobt der Kampf der Generationen. Keine Frage. Zahllose Studien versuchen, die aktuellen Generationen in griffige Kategorien zu pressen, allgemeingültige Eigenschaften der jeweiligen Alterskohorten zu definieren bzw. Etiketten zu verpassen. Ziel ist es wohl, Erklärungsmuster zu finden, wie sich die Merkmale der jeweiligen Generationen im (Arbeits-)leben vor dem Hintergrund ihrer Zukunftsfähigkeit und hier insbesondere dem allumfassenden digitalen Wandel mit den damit einhergehenden Anforderungen verhalten. Diese Fragen und Ergebnisse finden ein breites mediales Echo. Als ein Beispiel sei hier ein Artikel auf Bento, dem Jugendprogramm des Nachrichtenmagazins ‚Spiegel‘ angeführt.(https://www.bento.de/future/karriere-ueberholt-generation-z-die-generation-y-millennials-a-244c7a06-3717-4808-8808-7f7b08fe2bcc#refsponi )

Die Publikationen dokumentieren einen auffälligen Konsens mit der Grundannahme, zukunftsfähig seien lediglich die Individuen der Generation, die digital kann. Bei allen anderen Generationen gerät die Daseinsberechtigung zunehmend in Auflösung, weil sie den Anforderungen des digitalen Ökosystems nicht mehr genügen. (Das mag auch daran liegen, dass die zu dem Thema Publizierenden ihren Echoraum nicht weiter hinterfragen und eifrig nahezu identische Annahmen mit leichten Variationen voneinander abschreiben oder sich von wechselnden Zitatgebern aus den Kreisen von Soziologen, Psychologen und gerne auch Personalern bestätigen lassen.) Das liest sich dann – zugegebenermaßen verkürzt – so:
Babyboomer: Digital modertot.
Generation X: Schwere digitale Defizit. Deshalb kurz und mittelfristig ‚Time to say Goodbye‘.
Generation Y: Schon besser. Läuft aber Gefahr abgehängt zu werden, weil das Digitale nicht von der Mutterbrust an eingesogen wurde.
Generation Z: Hurra. Die hats drauf, weil die eben nichts kennt als Digitales und Internet. Allerdings sagt man den Zetties auch nach, sie seien saturierte Lebensempfindele ohne Ehrgeiz und komfortzonenorientiert. Dennoch liege hier die schimmernde Zukunft, ja, wenn es die Arbeitgeber nur verstünden, die besonderen Gestimmtheiten dieser Klientel aufzufangen und in Angebote umzutopfen. Überdies liefert diese Generation durch ihre Nutzung digitaler Tools und Medien freiwillig eine Unmenge von Daten, die ausgelesen, interpretiert und für die Forschung nutzbar gemacht werden können. Somit sind aufgrund der nie dagewesenen Datenbasis Aussagen über die Generation wohl weitestgehend zutreffend.
Die Anmerkung sei gestattet, dass etwa der Erfinder des Internets den Babyboomern zuzuschlagen ist, der Erfinder der Computermouse einer noch früheren Generation. Nicht nur die hier als Beispiel Angeführten können mit den wie oben beschriebenen Kategorisierungen wohl nichts beginnen.

Es ist an der Zeit, andere Kategorienüberschriften für die unterschiedlichen Generationen zu finden, nach Kriterien, die die Lebenserfahrungen der jeweiligen Gesamtheiten eher abbilden. Wie wäre es etwa mit der Kategorie: Generation Discofox. Millionen sind mehr oder weniger mit Discofox in Berührung gekommen. Somit kann Discofox als einigender Nenner betrachtet werden. Auch der Verfasser dieser Zeilen wäre hier gut aufgehoben. Das heißt allerdings nicht, dass er sich über eine Nähe oder seine aktive Durchdringung des Themas Diskofox fugenlos und umfassend definieren ließe. Im Gegenteil. Der Verfasser hegt eine fundamentale Abneigung gegen diesen Tanz. Nichtsdestotrotz sah er sich wiederholt damit konfrontiert.
Welche Charakteristika, welche Vermögen könnten Zugehörige zur Generation Discofox überdies beschreiben?
Ein Versuch. GDFoxler können: Selbständig Mahlzeiten aus verschiedenen Zutaten bereiten. Geben Kleidung zur Reinigung oder in die Waschmaschine statt ständig neue zu kaufen. Wissen um den Unterschied zwischen ‚scheinbar‘ und ‚anscheinend‘ und den von Stichomythie und Stichomantie. (Letzteres ist nicht sooo wichtig).
Zurück zur Generation Z, ihr gewissermaßen natürlich erworbenes Vermögen der Zukunftsfähigkeit und der sich daraus ableitenden Daseinsberechtigung. Nur wer die Zukunft hat, wer die Herausforderungen der Zukunft zu meistern versteht, wir angenehm (über)leben. Es steht dabei außer Frage: Die Zukunft ist digital. Wer dem nicht gerecht wird, gehört aussortiert bzw. muss mit negativen Konsequenzen hinsichtlich des Überlebens in einer digital bestimmten Umwelt rechnen. Die Generation Z steht vor überwältigenden Herausforderungen. Zumal sie den Mist, den ältere angerichtet haben, irgendwie loswerden, künftigen Ballast vermeiden muss. Aber wie?

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit mag helfen. Jonathan Swift (1667–1745) und seine Zeit- und Landesgenossen standen vor großen Problemen. Es gab zu viele Menschen, zu viele Babys und zu wenig Nahrung, um alle angemessen satt zu bekommen. Sein Vorschlag war radikal: Man solle doch die ganz jungen und überzähligen Menschen wohlhabenden Kreisen als Nahrungsmittel andienen.  Der Verkaufserlös sichert den Hinterbliebenen ein Grundeinkommen. Zudem würden die Kleinchen so vor dem Hungertod bewahrt. Problem gelöst – das Individuum ist bloße Ressource.

Derart radikale Lösungen sind sicher nicht jedermanns (m/w/d) Sache. Übertragen auf die gegenwärtigen Herausforderungen ließen sich jedoch wegweisende Maßnahmen ableiten:
Generation Z stellt sicher, dass nur noch digitalaffine Individuen das Licht der Welt erblicken. Spezielle Analysetools entdecken eine entsprechende Prädisposition - noch vor dem Zeugungsakt. Schlimmstenfalls erscheint eine Abtreibung angeraten.
So wird eine homogene zukunftsfrohe weil zukunftsfähige Bevölkerung heranwachsen. Und ganz vielleicht verzichtet diese Zukunft komplett auf Discofox. Das wäre mal schön.