Freitag, 12. Juli 2013

Ein kritischer Blick auf das Treiben von Unternehmensbewertungsseiten.




Jetzt muss aber mal sorgfältig hingeschaut werden, ob das, was  so auf den Seiten von Unternehmensbewertungsseiten seitens der  Mitarbeiter und der potenziellen Arbeitswilligen bekrittelt wird, alles mit rechten Dingen zugeht. Greifen wir zum Beispiel mal ein Unternehmen aus der  PR-Branche heraus. Das erhält so ziemlich mit Abstand die miesesten Noten von Bewerbern und derzeitigen sowie ehemaligen Mitarbeitern.  Die Vorgesetzen seien nicht viel mehr als Folterknechte, Beschimpfungen und Inkompetenz  an der Tagesordnung. Ausbeutung  sei die Grundmelodie in diesem Unternehmen. Trotz des selbst behaupteten wirtschaftlichen Erfolges setzt das Unternehmen vor allem auf die Quälerei  von  Nachwuchskräften getreu dem Motto - jung, billig, willig.  (Nachzulesen ist das alles unter  http://www.kununu.com/de/all/de/pr/media-consulta-deutschland/kommentare ) Diese Nachwuchskräfte wenden sich in der Regel  und meist nicht ohne an der Seele Schaden genommen zu haben von diesem Unternehmen binnen kürzester Frist wieder ab. Aber stimmt das denn auch so? Ist das dort wirklich die Hölle? Ist es nicht eher so, dass gerade die jüngeren Arbeitnehmer sich allzu rosige Vorstellungen machen von der Arbeitsrealität? Sie gleich mit Widerwillen reagieren, wenn sie von Vorgesetzten angeherrscht werden? Ja, die jungen Leute. Ihnen fehlt es häufig noch an Einsicht in die Notwendigkeit,  Arbeitnehmer auch mal mit Strenge, Kopfnüssen und verbaler Prügel zu Höchstleistungen anzutreiben.  Wenden sich nicht gerade die chronisch Mühseligen und Unzufriedenen an die Öffentlichkeit, um ihr Lamento loszuwerden? Der Arbeitswillige kann da den Unternehmer gut verstehen.  Der sagt sich zu Recht, mit Weicheiern sei kein Business erfolgreich durchzuziehen.  Weil der Arbeitswillige sich zu den Erfahrenen zählt, die auch mal eine unqualifizierte Beleidigung seitens Vorgesetzter wegstecken und freundlich grinsend auch noch die 50. monatliche Überstunde absitzen - denn wer braucht schon so einen neumodischen Tünkram wie WorkLiveBalance - entschloss sich der Arbeitswillige bei eben jenem Unternehmen zwecks Arbeitsaufnahme vorstellig zu werden.
Eine Antwort kam dann auch zu gegebener Zeit.
"vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr gezeigtes Interesse an einer Mitarbeit in unserem Unternehmen. Anhand Ihrer interessanten Bewerbungsunterlagen konnten wir einen durchaus positiven Eindruck von Ihnen und Ihren Qualifikationen erhalten.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns aufgrund der Vielzahl an qualifizierten Bewerbungen, die uns täglich erreichen, auf Kandidaten konzentrieren, die unserem Anforderungsprofil noch besser entsprechen.
Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen und wir möchten Ihnen versichern, dass sie ausschließlich von unternehmensspezifischen Auswahlkriterien geprägt ist und somit kein Werturteil über Ihre Kenntnisse und Qualifikation darstellt.
Wir bedanken uns für Ihr Vertrauen und hoffen, dass Sie mit M.C. weiterhin positiv verbunden bleiben."

Da hat der Arbeitswillige wohl nicht den Nerv bei seiner Bewerbung getroffen. Mist. Ein Versuch der Nachbesserung kann ja nicht schaden und so lässt er das Unternehmen wissen:

"Ihre Nachricht macht mich traurig, denn Sie verweigern mir eine wichtige Erfahrung. Ich hätte gern selbst erlebt, was denn nun dran ist an den Unternehmensbewertungen auf einschlägigen Seiten (z.B kununu.com) Wenn man den Kommentaren dort Glauben schenken wollte, so handelt es sich bei M.C. um die wohl übelste Bude, die sich hierzulande finden ließe. Das kann ich nicht recht glauben. Steht dem doch der allergrößte Erfolg in wirtschaftlicher Hinsicht entgegen. Überdies scheint die Mitarbeiterfluktuation in Ihrem Hause erheblich zu sein. Das mag daran liegen, dass Sie auf junge Mitarbeiter setzen. Diese haben vordergründig einen unschätzbaren Vorteil: Sie können aufgrund ihres  Anfängertums keine großen Ansprüche an die Entgelte stellen. Der Nachteil scheint mir – wenn ich die Kommentare für bare Münze nehme – , diese Kohorte ist ein wenig zimperlich. Ich hingegen habe in meinem Berufsleben gelernt, die ein oder andere unqualifizierte Beschimpfung weg zu stecken. Falls also das Betriebsklima tatsächlich so ist, wie es vordergründig den Anschein hat, wären diese meine Soft Skills doch von einigem Vorteil für Ihr Haus. Ich bitte Sie, diese Information bei einer der kommenden Besetzungsrunden zu beherzigen. Falls Sie annehmen, lange Berufserfahrung zöge automatisch überzogene Gehaltsvorstellungen nach sich - dem kann ich nur entgegenhalten: Sie irren.
Damit Sie sehen können, ich meine es von Herzen gut und möchte M.C  auch weiterhin “positiv verbunden” bleiben, erlauben Sie mir einen Hinweis auf eine kleine Inkonsistenz in Ihrem Absageschreiben.   Sie sagen “...dass wir uns aufgrund der Vielzahl an qualifizierten Bewerbungen (...) auf Kandidaten konzentrieren, die unserem Anforderungsprofil noch besser entsprechen”.
Eine VIELZAHL an Bewerbungen kann niemals der GRUND für eine Konzentration auf Kandidaten sein. Ein  hinreichender Grund für eine Ablehnung wäre, dass andere Kandidaten (m/w) womöglich besser in das Anforderungsprofil passen.  Sie sehen, Ihrer Formulierung fehlt es ein wenig an Sinn. Ich hoffe, ich konnte hier weiterhelfen. Zumal ich die Überprüfung von Sinnhaftigkeit in Aussagen unter anderem als meine Aufgabe betrachte.
 Mit besten Grüßen und möglicherweise auf demnächst."

Bislang keine Antwort. Möglicherweise denken Sie auch noch über die Argumente des Arbeitswilligen nach. Und das kann dauern.  Abschließend bleibt noch anzumerken: Ein Indiz, dass das Unternehmen doch nicht so schlimm sein kann, ist die Aussage  mit der Vielzahl qualifizierter Bewerbungen.  Trotz der miserablen Kritiken hat das Unternehmen keinen Fachkräftemangel.  Da schlägt das Pendel aber gewaltig zu Ungunsten  der  Kritikermemmen aus.  Denn so ein Unternehmen lügt ja nicht, wenn es sagt: Danke, wir haben genug Leute, die ihre Großmutter zur Prostitution zwingen würden, nur damit sie bei uns arbeiten dürfen.












Mittwoch, 10. Juli 2013

Herausforderung- Eine Betrachtung über magisches Denken.







Neulich hat der Arbeitswillige in einer Absage lesen dürfen:
"vielen Dank für Ihr Interesse an einer Herausforderung in unserer Agentur."
Da ist er wieder. Einer der Zentralbegriffe des Businesssprechs: Herausforderung. Das ist ein Begriff von wundersam nuancenreichem  Zuschnitt. ( Wer das nicht glaubt, blicke kurz in den Duden.)
Nun scheint sich die Auffassung durchgesetzt zu haben, Homo sapiens könne nicht ohne Herausforderung existieren. Denn fehle es an Herausforderung - gerne auch im Plural - so verbringe der  Mensch seine kümmerliche Existenz trübäugig in der sumpfigen Sphäre dumpfigster Alltagssuppe.  Auf der anderen Seite weiß die Alltagsklugheit aber auch: Man solle sich nicht leicht herausfordern ( wohl im Sinne von provozieren) lassen.   
Wie auch immer "Herausforderung" ist ein "sine qua non" in der Arbeitswelt. Wie lange der Begriff allerdings noch wirken kann,  ist aber fraglich. Neue Begriffe machen der  "Herausforderung" den Rang streitig.  Zum Beispiel der schöne Begriff "Battle".  So las der Arbeitswillige in einem Fitnessstudio die Aufforderung: "Battle dich gegen dich selbst".  Der Arbeitslose schließt daraus, wem Herausforderung nicht reicht, der muss demnächst Battle schreiben oder signalisieren oder sagen. Aber so modern sind die Gralshüter des Businesssprechs noch nicht - jedenfalls noch nicht auf breiter Front. Übrigens kennen Kenner von Grimms Märchen längst  die höchste Perfektion eines " Battle-Dich-Gegen-Dich-Selbst". Rumpelstilzchen. Am Ende der Geschichte, reißt sich Rumpelstilzchen selbst entzwei. Bei Märchenfreunden gilt das als glückliches Ende. Ende der Abschweifung und zurück zum "Interesse an einer Herausforderung in der Agentur" . Diese Herausforderung ist ja nicht näher spezifiziert. Das kann folglich bedeuten, der Arbeitswillige könne sich seine Herausforderung in der  Agentur selbst suchen. Was wäre denn eine tolle Herausforderung? Der Arbeitswillige könnte etwa bei den Klitschkos anrufen und sagen: Liebe Klitschkos, ich brauche eine Herausforderung, möchte Sie gerne herausfordern. Wie wär's? Wann passte es denn? Und die Klitschkos würden sagen:  Das ginge im Prinzip in Ordnung. Allerdings müsse der Arbeitswillige erst klären, in welchem der weltweit agierenden Boxverbände er sei. Mit dieser Auskunft ginge der Arbeitswillige dann zum dem Agenturvorgesetzen (m/w) und der/die würde dann sagen: Bitteschön, da haben Sie doch Ihre Herausforderung. Klären Sie das mit dem Boxverband!
Mag aber auch sein, die in der Agentur verstehen etwas anderes unter Herausforderung. Hier ist nun zu beachten, in welchem Kontext der Begriff "Herausforderung" im Businesssprech verwendet wird.
Herausforderung hat  hier Termini wie Schwierigkeit oder Problem verdrängt. Warum ein Problem nicht mehr Problem  und Schwierigkeit nicht mehr  Schwierigkeit genannt werden darf, lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich haben letztgenannte eine  zu negative Gravitas.
So wird ein Chef angesichts der katastrophalen Umsatzzahlen niemals vor versammelter Mannschaft sagen: Leute, wir stehen vor groooooßen Schwierigkeiten.  Er wird sagen: Wir stehen vor Herausforderungen.  Das klingt irgendwie harmloser. Verharmlosung  ist Trend, schon seit Jahrtausenden. Die alten Griechen nannten ihre Rachegöttinnen , Erinyen, später "Euminiden" ( die Wohlmeinenden). Dahinter steckt wohl der magische Glaube, dass wenn man sie nicht nennt, sie auch nicht heraufbeschwört.  In die gleiche Richtung zielt auch die Volksweisheit: " Wenn man den Teufel nennt, schon kommt er gerennt." Wir lernen, magisches Denken wirkt auch in der modernen Businesswelt nach. (In diesem Zusammenhang  siehe auch die Vermeidung des  Namens Voldemort bei Harry Potter.) 
Im  Alltag klappt das nicht immer im gewünschten Maße. Nehmen wir mal an, besagter Chef (der mit der Herausforderung  angesichts der Katastrophe)  konsultierte seinen Urologen und spräche: Herr Doktor (m/w) ich habe Herausforderungen beim Pinkeln. Der Arzt würde sich und seinen Patienten fragen , ob der Patient nicht eher einen Psychologen aufsuchen wolle.  Darauf würde der Chef, falls er denn gewitzt ist, erwidern: Lieber Arzt (m/w) Die Herausforderung liegt bei Ihnen, mich von meinen Herausforderungen zu befreien.  Nein, so geht das nicht. Dennoch, erlauben wir uns den Spaß,  in die Zukunft zu schauen. In eine Zukunft, in der die Herausforderung im Zuge sich radikalisierenden Wettbewerbs von dem Begriff "Battle" ersetzt worden ist.  Dieselbe Szene klänge dann so:  Doc ich hab´ne Battle beim Pinkeln. etc.
Zurück zur Absage.
Ihre Bewerbungsunterlagen waren für uns wirklich sehr interessant. Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass wir Ihnen auf Basis Ihres Profils zurzeit leider keine optimale Position anbieten können.
(Der Arbeitswillige weiß, "interessant" ist die kleine Schwester von "scheiße". Das nur nebenbei.)  Es gibt keine optimale Position. Auf Optimales hat der Arbeitswillige auch nicht zu hoffen gewagt. Wer kann schon das Optimale anbieten?  Optimal ist der Endpunkt, ein Idealzustand, der keinen Raum für Herausforderungen zulässt. Denn warum sollte man sich Herausforderungen mit dem Ziel von Verbesserungen stellen, wenn doch bereits alles optimal ist? Oder verstehen die in der Agentur unter einer optimalen Position eine Tätigkeit (besser als Position, weil Position ja Statisches impliziert), bei der  Arbeitswillige ständig vor Herausforderungen ( künftig :Battles) stehen?
Ach ja: Kann jemand dem Arbeitswilligen mit der Telefonnummer von den Klitschkos aushelfen?
Vielen Dank.