Dienstag, 26. Juni 2012

Memoiren einer verhinderten Karteileiche


Memoiren einer verhinderten Karteileiche

Der Arbeitswillige lässt nicht locker, wenn es darum geht, seine Arbeitswilligkeit unter Beweis zu stellen und anzupreisen. So wandte er sich auch mit den wohlgestalteten Unterlagen an eine Agentur in Hamburg. Laut Selbstdarstellung gehört die zu den nahezu allergeilsten. Unter anderem, weil sie darauf achtet, das die Work-Life-Balance der Mitarbeiter nicht in Verwehung gerät. Und das ist  - was man so hört – in dem Business ein positives Alleinstellungsmerkmal.
Die erste Reaktion auf die Bewerbung kommt nahezu umgehend.

Sehr geehrter Herr Arbeitswilliger,
vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse an a.!.
Da wir jede eingehende Bewerbung sorgfältig prüfen, bitten wir Sie um ein wenig Geduld.
Wir melden uns schnellstmöglich bei Ihnen!
Herzlich,
K.W.
 
Wie lange mag so etwas dauern, eine sorgfältige Prüfung?
Nach 4 Wochen fragt der Arbeitswillige einmal nach.
Keine Antwort.
Nach weiteren 2 Wochen erneute Nachfrage. Wiederum keine Antwort.
Wieder gehen 2 Wochen ins Land. Der Arbeitswillige fragt, ob er die Sache verloren geben muss.
Jetzt endlich gibt es eine Info der Agentur a.! aus Hamburg. Diese Info informiert den Arbeitswilligen darüber, dass Frau K.W., an die er seine Anfragen richtete, nicht länger für das Unternehmen arbeitet. Der Arbeitswillige wendet sich an die Direktorin HR. So etwas Feines haben die nämlich in der Agentur. Das zeugt von einer gewissen Größe und Professionalität.

Sehr geehrte Frau G.,
meine aktuelle Frage nach dem Stand der Dinge hatte nun doch einen kleinen Erkenntnisgewinn. Ich weiß nun: Frau W. ist nicht länger für a.! tätig.
Was aber wurde aus meiner Bewerbung?
Fragt neugierig
Ihr Arbeitswilliger

Und tatsächlich gibt es eine Antwort (im Original)
 
Lieber Herr Arbeitswilliger,
in der Tat, wir haben vergessen, uns bei Ihnen zu melden. Das darf eigentlich nicht vorkommen, passiert aber bei der Vielzahl der Bewerbungen leider mal (zum Glück sehr selten).
Vielen Dank noch mal für Ihr Interesse an unserer Agentur. Wir haben uns Ihr Profil gründlich angesehen, müssen Ihnen aber leider mitteilen, dass wir Ihnen keine vakante Stelle anbieten können.
Sie gerne nehmen wir Sie aber in unserer Bewerberpool mit auf und melden uns wieder bei Ihnen, wenn wir eine Vakanz haben, die mit Ihren Profil matcht. Einverstanden?
Mit besten Grüßen
S.G.
HR Director

Eigentlich ist nichts daran auszusetzen, in einem Pool zu sein. Vor allem bei Sommerwetter und wenn kühle Getränke mit Obst und Zierschirmchen bei der Hand sind. Der Arbeitswillige ist allerdings skeptisch, ob die in Hamburg einen derartigen Pool haben. Eher wird Director HR wohl eine Art Kartei meinen. Wie auch immer. Der Arbeitswillige mailt zurück:
 
Guten Tag Frau G.,
tun Sie das nach Belieben. Es wäre auch supernett, wenn Sie ab und an eine Mail an mich absetzen könnten (vielleicht alle 5 Tage?). Es muss auch außer einem Floskelgruß nichts darin stehen. Es wäre für mich Motivation und Erinnerung, mein Skript mit dem Titel "Die Rückkehr der Karteileiche" voran zu treiben. Ich plane die Realisation an Originalschauplätzen. Auch in dieser Hinsicht setze ich auf a.!.
Was wurde eigentlich aus Frau W.? Muss ich mich sorgen?
Mit besten Grüßen

Frau G. kann den Arbeitswilligen einerseits beruhigen und andererseits bestätigt sie auch seine Annahme, dass es bei a! keinen Pool, sondern eher doch eine profane Kartei gibt. Sie schreibt:

Lieber Herr Arbeitswilliger,
auf jeden Fall müssen Sie sich nicht sorgen, denn Frau W. hat bei uns ihre Ausbildung erfolgreich beendet und nun einen tollen Anschlussjob in einer anderen Agentur gefunden.
Da ich Ihnen ersparen möchte, eine Karteileiche zu werden und mir, dass ich mich alle fünf Tage melden muss, nehme ich Sie lieber raus aus der Kartei.
Mit besten Grüßen
 
Schade, dass a.! der Frau W. keine  Perspektive bieten konnte. Vielleicht auch nicht so schlimm? Was den Arbeitswilligen aber ein wenig mitnimmt, ist die Tatsache, dass er jetzt weder im Pool, noch in der Kartei (und sei es als Leiche) sein darf. Er mailt:

Liebe Frau G.,
das ist schön zu hören, dass Frau W. einen Superjob gefunden hat. Es scheint doch wahr zu sein, was landauf landab behauptet wird: Bei a.! ist der Erfolg die Regel. Ich möchte nicht missverstanden werden. Selbstverständlich müssen Sie sich nicht alle fünf Tage melden. Es wäre halt nur sehr nett. Ich denke, ich werde auch so die nötige Disziplin aufbringen, das Projekt "Rückkehr der Karteileiche" weiter zu verfolgen.

Apropos Karteileiche. Ich danke für Ihre Fürsorge, mich vor dem Schicksal einer Karteileichenexistenz bewahren zu wollen. Ich interpretiere Ihren diesbezüglichen Satz allerdings so, dass eine andere Existenz als eine eben solche in Ihrem Unternehmen prinzipiell nicht in Erwägung gezogen wurde. Schließlich haben Sie es ja in der Hand, ob ich eine Karteileiche werde oder nicht. Und falls Sie mich nicht in der Kartei haben mögen. Gerne sende ich Ihnen ein Foto von mir. Das können Sie dann auf Ihr Fensterbrett stellen. Ich wäre dann präsent aber nicht in der Kartei. Wie wäre denn das?
Einverstanden?
Herzliche Grüße
Ihr Arbeitswilliger

PS: Vielen Dank auch für den Hinweis, wie man ausdrücken kann, ob etwas passt - sie sagen: das Profil matcht. Klingt irgendwie modern. Diese Formulierung war mir nicht geläufig. Ich werde sie bei passender Gelegenheit in die Runde werfen.


Alles in allem war der Austausch mit a.! dennoch eine Bereicherung. Der Arbeitswillige weiß nun ein wenig mehr, wie man sich in bestimmten Kreisen ausdrückt, damit es matcht. Beispiele?
Der Topf matcht den Deckel. Oder: Der Schlüssel matcht das Schloss. Oder einfach: Das matcht!