Samstag, 21. Dezember 2013

Na endlich! Ein Fünkchen Aufrichtigkeit.



Wie lange schon bekommen Arbeitswillige unter die Nase gerieben, dass der Auswahlprozess seitens der Unternehmen  transparent nach objektiven Kriterien abläuft. Wie schön, wenn endlich mal der Schleier ein wenig gelupft wird und Arbeitswillige einen kurzen Blick auf die karge Wahrheit erhaschen können. So liest der Arbeitswillige:
"Leider kann ich dir keine positive Rückmeldung auf deine Bewerbung geben, da wir nicht zu 100% davon überzeugt sind, dass du für uns der Richtige bist. Bitte denke stets daran, dass ein solches Urteil immer subjektiver Natur ist."
Tja, vor der reinen Subjektivität können Arbeitswillige nur die Segel streichen. Die Wahrheit ist nicht angenehm.  Zumal der Arbeitswillige in nahezu pastoralem Ton aufgefordert wird, stets daran zu denken. "Stets", das heißt vom Erwachen bis zum Schlummer - falls Arbeitswillige vor lauter  Nachdenken über die subjektive Natur  menschlicher Entscheidungsfindung überhaupt noch in die Nähe eines erholsamen Schlafes finden können. Und nun, liebe Mitarbeitswillige, was tun?
Welche Strategien bieten sich an, die Schwelle der Subjektivität zu überwinden? Ehrlich gesagt: Keine Ahnung.




Donnerstag, 12. Dezember 2013

Im Würgegriff von obwaltenden Gegebenheiten und Paragraphen




Wer bereits das Pech hatte, die ein oder andere Absage auf eine Bewerbung einstecken zu müssen, dem wird  sicherlich die  phrasenhafte  Ausformulierung  dieser Texte aufgefallen sein.  Nun mag sich der  betroffene  Arbeitswillige die Frage stellen, ob es nicht irgendwo eine Mustersammlung gibt, aus der die Personaler Sinn und Inspiration beziehen, um den  abzulehnenden Arbeitswilligen  eben diesen an sich betrüblichen Umstand mitzuteilen. Die Antwort:  Ja, gibt es ( z.B. http://www.absage-bewerbung.de/absagen-generator-absagen-individuell-zusammenstellen/ ).
Prima ist auch die Behauptung, dort würden Dinge "individuell" zusammengestellt. Aber sogar für das leichte, tränenquetschende Bedauern findet sich im Netz ein passender Textbaustein, den Personaler per Copy/Einfügen  in so ein erstklassiges  Absageschreiben einbauen. Ha! Alles faule Ärsche, diese Personaler, hört man es jetzt landauf landab schreien. Gemach. So einfach ist das nicht.
Personaler  d ü r f e n  gar nicht ehrlich sein. Schrieben sie  die wahren Gründe für eine Ablehnung wie:  "Sie sind zu alt, Sie Sack / Sie Trutsche". Oder : "Ihr Name klingt irgendwie kirgisisch. Und mit Kirgisen haben wir gar keine Erfahrungen gemacht, wollen wir auch nicht. " Wenn sie so individuell und ehrlich schrieben, dann käme Justitia über sie und schlenkerte das Schwert des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes.  Und nicht zuletzt tragt Ihr, liebe Mitarbeitswillige, ja auch die Schuld an der  Floskelabsagenmisere.  Was untersteht Ihr Euch auch und bewerbt Euch in Legionsstärke auf ein und dieselbe Position.  Da müssen dem Personaler ja die Formulierungen ausgehen, wollte er jede einzelne Bewerbung individuell durch eine geschliffen getextet Absage adeln.     
Wer nun meint, Personaler führten ein leichtes, bequemes Leben, weil sie ja Hilfsmittel ohne Ende zur Verfügung hätten , nicht einmal selbständig formulieren bzw. denken müssten sie. Irrtum. So ein Personaler leidet. Leidet daran, dass er nicht so formulieren kann, wie er möchte. Es gibt für sie /für ihn nur noch eine enge Nische, in der er weitgehend ohne Einschränkung texten kann, wo er sich - mit Einschränkungen- austoben kann:  Die Job-Annoncen. Und dort findet man dann wahre Perlen des entfesselten  Formulierungswillens. Hier etwa.
Aimaq von L. ist eine Creative Brand Consultancy und hat ihren Sitz in der sich stets wandelnden und neu erfindenden Mitte Berlins. Wir entwickeln Strategien und Kommunikationslösungen, die intelligent sind, emotionalisieren und unterhalten. Wir denken vernetzt und beschreiten auch unkonventionelle Wege.
Jobbeschreibung
Zur Unterstützung unserer Kreation für einen neuen Kunden suchen wir ab sofort einen ideenreichen und sehr engagierten
Senior Texter/Konzeptioner (m/w) Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa.
Dein Job ist es, herausragenden Ideen für Kunden zu entwickeln.
"
Jippieee. Auf in die sich stets neu erfindende Mitte Berlins. Der normale provinzielle Dummplunz wird von dem sich stets wandelnden  MitteBerlin wohl nichts mitbekommen. Nehmen wir mal an, so ein(e) er oder sie ständerte drei Tage lang an ein und demselben Platz in Berlin Mitte herum, würde er/sie am Ende wohl sagen müssen:  Nö, also neu erfunden hat sich in der Zeit, wo ich da gestanden habe, nüschte. Und Wandel? Ja die Müllabfuhr kam mal vorbei.   Soviel zu "stets".
Aber dann der Funktionstitel:  Schuhe und Osteuropa.  Man stelle sich nur einmal vor, man wird auf Tantchens  75sten Geburtstag  von der Verwandtschaft gefragt, was man denn erwerbsmäßig so treibe und man antwortete wahrheitsgemäß: " Ich bin Konzeptioner Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa".  Dann würde die gute Tante bedächtig den Kopf wiegen und den alten Gassenhauer anstimmen:
"Du bist verrückt mein Kind, Du musst nach Berlin. Wo die Verrückten sind - ja da musste hin". Und dann könnte man antworten: " Aber da bin ich ja schon. Und zwar in der sich stets wandelnden und neu erfindenden Mitte Berlins." Alles gut, bis auf die Schuhe und Osteuropa. Nicht ganz so gut ist folgender Suchauftrag. Eine TV-Produktion sucht einen "Praktikant Klappe".
Nicht Eingeweihte denken nun, hier werden Praktikanten mit Nachnamen Klappe gesucht, was die Zahl der Bewerbungen einschränken dürfte. Dann gibt es zwei Sorten von Eingeweihten:  Die einen wissen, dass die Klappe dazu da ist, um bei Film und TV die einzelnen Aufnahmesequenzen definieren zu helfen. Die anderen lesen den Begriff "Klappe" als traditionelle Bezeichnung für den Ort, an dem sich homosexuelle Männer treffen und trafen, um schnelle, sexuelle Kontakte zu praktizieren.  Für diesen Kreis der Eingeweihten wäre ein Praktikant Klappe sicherlich ebenfalls positiv besetzt.  




Montag, 9. Dezember 2013

Elektrogeräte leben länger




Viele stellen sich die Frage: wie entstehen die Gebrauchsanweisungen für elektronische Geräte, die die Haushalte hierzulande mit bewohnen. Oft sind diese schriftlichen und bebilderten Beigaben geprägt von sprachlichem Unfug nahezu tragischen Ausmaßes.  Braucht man für den Toaster nicht so viele Seiten, so verlangt doch eine hochklassige Espressomaschine, ein  moderner Fernseher  ausführliche, seitenreiche Erklärung.  Als unverzichtbar in der Szene der Gebrauchsanweisungsersteller gelten jedoch Tipps zur Pflege und Wartung. Und nun zur Beantwortung der Eingangsfrage: Es sind Menschen (w/m), die anderen  Menschen mit Informationen zum Umgang  der neuen Mitbewohner  Handreichungen in Wort und Bild geben.
Und einen Mitarbeiter, der so etwas kann, sucht die Firma B.
Aus eigenem Erleben weiß der Arbeitswillige, hier bei der Formulierung von nutzerzentrierten Publikationen ist noch viel Raum für Optimierung und so bewirbt er sich. Da nun die Bewerberhilfeliteratur empfiehlt, man möge dem künftigen Arbeitgeber auch einen Blick in den Charakter, die Gedankenwelt des Kandidaten gewähren, schreibt er auch ein paar persönliche Zeilen.

" .... Ich habe überdies die Erfahrung gemacht, dass Elektrogeräte länger halten, wenn man ihnen mit freundlichen Gedanken oder Worten gegenübertritt. So begrüße man den Toaster mit einem fröhlichen'  'Guten Morgen Toaster'. Die schwer arbeitende Waschmaschine hingegen frage man: 'Na, altes Mädchen? Hast Du die 90-Grad-Wäsche vor zwei Tagen gut überstanden?'  Diese Hinweise würde ich zum Segen einer langen glücklichen Kunden / Gerätebindung in den einschlägigen Servicebeschreibungen formulieren."

Die Firma B. meldet sich nicht.  Woran mag das liegen?  Ein wohlmeinender Freund klärt den Arbeitswilligen auf:  Elektrogerätehersteller haben in Summe gar kein Interesse an langlebigen Produkten.  Die müssen mittelfristig den Dienst aufgeben, weil die Hersteller neue Geräte verkaufen wollen. Da war er mal wieder naiv, der Arbeitswillige. Trotzdem. Schlechte Welt!


     

Montag, 18. November 2013

Die Zukunft jetzt




"Wir suchen ab sofort einen digital denkenden Bewegtbild Konzeptioner (m/w)."
Das verkündet das Unternehmen Fischera. Dieser "Homo digitalis" ist Teil eines Teams und soll "auch neue Trends und emotionale Geschichten rund um Marken" finden.
Nun ist das Denken an sich ja ein recht komplexer und mitunter auch verzwickter Vorgang, den zu ergründen sich Philosophen, Mediziner, Biologen und selbst Physiker seit geraumer Zeit den Kopf zermartern. Eine abschließende Erkenntnis  darüber, was Denken denn nun sei, kann an dieser Stelle leider nicht referiert werden.  Vielleicht kommen wir den Wünschen Fischeras auf die Spur, wenn wir einen Blick auf die Definitionen von  'digital' werfen. Der Duden bietet an:
1.(Medizin) mithilfe des Fingers erfolgend. (Abgeleitet vom lateinischen 'digitus = Finger)
2a) (Physik) in Stufen erfolgend; in Einzelschritte aufgelöst.
2b) auf Digitaltechnik, Digitalverfahren beruhend
3) (Technik) in Ziffern darstellend; in Ziffern dargestellt.
Nummer 1) scheidet wohl aus. Welches Unternehmen mag schon Mitarbeiter, die beim Denken herumfingern?
2a) Schon eher. Es ist ja schön, wenn man seine Denkprozesse nachvollziehbar  darstellen, die einzelnen Schritte, die womöglich zu einem Ergebnis geführt haben, als sinnvoll aufeinander aufbauend dokumentieren kann. Aber ist das dann digital zu nennen?
3) Scheidet auch aus, weil Ziffern nicht unbedingt etwas mit "emotionalen Geschichten" zu tun haben.  Der Arbeitswillige bezweifelt, dass etwa die hochergreifende Schnulze Celine Dions 'My Heart will go on' einen derartig emotional ergreifenden Impetus gehabt hätte, wenn die Sängerin lediglich eine Zahlenfolge ( 1,0,0 0,1,1,1,0,0.....usw.) vorgetragen hätte.  So weit ist das Publikum wohl noch nicht.
Möglicherweise schwebt dem Unternehmen allerdings eine Art  Android oder Roboter vor.  Diese sollen ja durch digitale Impulse (Strom ein / Strom aus in annähernder Lichtgeschwindigkeit)  zur  Tätigkeit animiert werden.  Aber bis  derartige Maschinen soweit entwickelt, dass sie kreativ und teamfähig sind ...  bis dahin wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen.  Solange mag FischerA jedoch nicht warten. Laut Annonce suchen sie "ab sofort."


  



Freitag, 15. November 2013

Stuttgart ohne Erwähnung im Alten Testament




Kurz und knapp soll der Texter formulieren können, der von einer Agentur in Stuttgart gesucht wird. Die Agentur ist auch mit einem anspruchsvollen Beispiel bei der Hand. Man möge - falls verlangt - das Alte Testament in 15 Zeilen zusammenfassen  können nötigenfalls in der Tonalität einer Supermarktkette.
Das wäre in der Tat eine Herausforderung, zumal  bei weiten Teilen der interessierten Arbeitswilligen das Alte Testament nicht mehr als bekannt vorausgesetzt werden darf. Bibelfest war mal.
Der Arbeitswillige scheut diese Aufgabe nicht und webt seine zielgerichtete Kompetenz flugs in sein Anschreiben.

"Sehr geehrter Herr Geschäftsführer,
das Alte Testament für Supermärkte in wenigen Zeilen?
"Heute Streusalz 'Lots Frau'- der 10Kilo-Sack nur zweiachtundneunzig. 'Brennender Dornbusch'- die Literflasche für achtdreiundfünzig.
Im zweiten Teil erfahren Sie, wie das Wort am Anfang war und was dann geschah.

Für 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' bekomme ich aber bitte 18 Zeilen.
Mit besten Grüßen
Ihr Arbeitswilliger"

Wenige Zeit später erhält der Arbeitswillige ein Mail von A. aus Berlin. Durch seine Zeilen weht ein Hauch von Bedrohung und Ungemach. Er schreibt:

"Hallo Anton,
vielen Dank für deine Unterlagen und dein Interesse an R..
Bei der ausgeschriebenen Stelle handelt es sich um unser Stuttgarter Gesuch, dessen bist du dir bewusst-oder?"

Meiner Seel. Ist das eine Warnung von jemandem, der es gut meint mit dem Arbeitswilligen?
Fragen hilft. Der Arbeitswillige mailt zurück.

"Guten Tag A.,
 gibt es etwas Furchtbares an Stuttgart, das Du weißt und ich nicht?
 Schönen Gruß"

Darauf mailt der A. sinngemäß, er wolle nur sichergehen, ob der Arbeitswillige auch wirklich einen temporären Umzug in Betracht ziehe. Im Übrigen sei er noch nie in der Schwabenmetropole gewesen, könne sich folglich kein Urteil über die Stadt bilden.
Der Arbeitswillige ist gerührt von so viel Fürsorge. Die sei allerdings nicht nötig. Er schreibt:

"Lieber A.,
da habe ich Dir ja mal was voraus. Also, ich war schon mal in Hannover. Von Hannover heißt es im Volksmund: Wer einmal in Hannover war – dem gefällt es überall. So, und erst danach war ich in Stuttgart ... Aber Danke für das fürsorgliche Vermuten eines Missverständnisses."