Donnerstag, 12. Juni 2014

Skandale passieren nun mal. Ein ernst gemeinter Rat.



Liebe Mitarbeitswillige. Man kann nicht genug betonen und raten: Informiert Euch über die Firmen, bei denen Ihr Euch bewerbt. Nicht nur, damit das Anschreiben famos auf den Bedarf des Jobanbieters hin getextet wird oder damit Ihr beim Interview mit  Detailkenntnissen glänzen könnt. Nein.  Informationen über das annoncierende Unternehmen  dienen mitunter dazu, dem Unternehmen  im Vorfeld und mental den Mittelfinger zu zeigen.  Ein Beispiel:
Auf dem Jobportal "StepStone" findet der Arbeitswillige eine feine Annonce. Es werden Redakteure und Rechercheure gesucht für das Themenfeld Corporate Communication.
Bündeln und sichten wird die eingehenden Bewerbungen ein Recruiter namens  'S.V.' Ausgeschrieben verbirgt sich dahinter ein lateinischer Terminus, der so viel bedeutet wie „ Die bedeutendsten Männer".  Der Name lässt schon mal auf ein anspruchsvolles Programm schließen. Leider dürfen sich Frauen hier nicht angesprochen fühlen. Aber wer kann schon Latein?
Man wird nicht enttäuscht, besucht man den Webauftritt von S.V.  Das Impressum verrät, die S.V. group residiert in Helena / Montana  US.  Helena hat 28.000 Einwohner und ist damit die Hauptstadt von Montana. Aber warum sollte da keine Recruiter-Gruppe sitzen. Die angegebene Anschrift lässt allerdings  schmunzeln - Last chance gulch. Somit haben wir die bedeutendsten Männer in der Schlucht zum letzten Ausweg.  OK, das kann man bezeichnend finden. Vielleicht ist es aber purer Zufall. Wer weiß. Jedenfalls gibt es auch ein Büro in Augsburg/ Germany. Dort heißt der Ansprechpartner Herr  D. Jo.  Herr Jo. gibt allerdings keine Festnetznummer, sondern lediglich eine Mobilnummer an, neben einer Mailadresse.  Für welche Firma er sucht, sagt er in der Anzeige allerdings nicht.
Das ist lediglich der erste Punkt, der stutzen lässt. Ein weiterer findet sich in der Qualifikationsbeschreibung.  Hier heißt es: "Sie haben ein Gespür für Geschichten, Menschen, Schicksale und Skandale".  
Bitte? Skandale? Bei Corporate Communications geht es gerade nicht um Skandale. Darum darf es nicht gehen.  Diese Anforderungen passen eher zu reißerischen Boulevardmagazinen.  Verstörend findet das der Arbeitswillige. Welches Unternehmen verbirgt sich also hinter der Suche? Ein Zufall kommt zu Hilfe. Beim Ausdruck der Annonce erscheint ganz oben rechts folgende Info. "StepStone- Ihr neuer Job bei Firmenw. AG."
Die Firmenw.AG präsentiert sich auf ihrer Homepage als Unternehmensberatung.  International aufgestellt mit einem verwirrend vielfältigen Leistungsspektrum.  Was es mit den Skandalen auf sich hat, das will man doch wissen.  Unter der Zentralnummer meldet sich ein Herr B.
Weil auch auf der Website nach Redakteuren gesucht wird, fragt der Arbeitswillige nach einem Ansprechpartner. Das sei der Herr D. Jo.
(Kennen  wir aus der  StepStone  Anzeige) Frage:  Warum gibt der Herr Jo. denn nur eine Mobilnummer an? Weiß der Herr B. nicht.
Gehört der  Herr Jo. denn zur Firma? Ja, wahrscheinlich.  Frage: Warum sucht dann Herr Jo. unter dem Dach der Recruiting Firma S. V. ? Das weiß der Herr B. auch nicht. Er sei nur der Systemadministrator.
Frage: Wenn es doch um Corporate Communication geht, was soll dann ein Gespür für Skandale in der Qualifikationsbeschreibung?  Da stutzt der Herr B. und findet das auch seltsam.  Wahrscheinlich habe der Herr Jo. die Anzeige auch gar nicht formuliert.  Frage:  Kann er mich mit demjenigen verbinden, der die Anzeige formuliert hat, bzw. den Inhalt abgenommen hat?  Da müsse er sich zunächst rückversichern, sagt Herr B.
3 Minuten lang gibt es die Ansage “Ihr Gespräch wird gehalten”.  Dann tütütüt.
Geschäftsführerin der Firmenw. AG ist eine  A.v.H. . Nach ein wenig Recherche findet sich ein Artikel auf einer britischen Finanzseite,  auf der die Namen A.v.H.  und  R.v.H. auftauchen.

Überschrift: 'Bankruptcy tourism' crackdown shuts 61 companies "

 Weiter:
"The firms were linked to R.v.H and A.v. H., both German citizens and business advisers in that country. They recommend that companies adopt British status. ......I t is thought that this was a way of transferring the domicile of a troubled German company to Britain and then using British bankruptcy law to go bust.
The technique is known as ‘bankruptcy tourism’. Companies employ this technique to use British law to go bust in a pre-pack insolvency, which means they can shuffle off creditors and then be relaunched free of debt.
It is thought the 61 companies would have been used for similar bankruptcies.
 They were all closed after the Insolvency Service sought a court order to wind them up for a series of offences, including filing false information at Companies House and failure to co-operate with its investigators.
At one time all 61, which were dormant businesses, gave their registered address as a small office in a residential street in Kenilworth, Warwickshire."

Wer sich jetzt noch die Mühe macht, die offiziellen Bekanntmachungen der Firmenw. AG im 'Bundesanzeiger' nachzulesen, kann zu dem Schluss gelangen:  Naja, soooo mächtig  und erfolgreich wie dargestellt ist das Unternehmen von  A.v.H  offenbar nicht.
Allerdings. Vor diesem Hintergrund hat die Qualifikation, die ein Bewerber mitbringen sollte, "ein Gespür für Skandale",  dann doch ihre Berechtigung.