Freitag, 26. Juli 2019

Integration durch Arbeitsangebote. Der deutsche Schlager als Diskurstreiber.



Man möge den etwas akademisch klingenden Titel verzeihen. Aber es geht um ernste und relevante Themen.
Es ist ein grober Fehler, den deutschen Schlager als Heimat belangloser Seichtheit zu diffamieren. Schon früh bezog der Schlager emphatisch Position, wenn es darum ging, brennende soziale Probleme wie etwa die Integration von Migranten in die (Arbeits-)Welt der Mehrheitsgesellschaft anzuprangern oder wenigstens zu thematisieren. Es bedarf schon großer Gefühlskälte, ließe man sich von Titeln wie ‚Griechischer Wein‘ (Udo Jürgens) oder ‚‘Zwei kleine Italiener‘ (Cornelia Froboess) nicht anrühren. Schlager wie diese zeichnen ein bedrückendes Bild des Gemütszustandes von
(Arbeits-)Migranten. Allerdings erscheinen diese und ähnliche Titel etwas zu eindimensional, setzten sie doch lediglich auf Einfühlung und Mitleid. Lösungsperspektiven werden nicht aufgezeigt. Ganz anders hingegen der Titel ‚Da sprach der alte Häuptling der Indianer.‘ Gus Backus gebührt höchstes Lob dafür, dass er den Diskurs, wie Integration durch attraktive Angebote gelingt, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Bereits in den frühen 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts formulierte Backus Strategien, die auch heute noch Gültigkeit beanspruchen dürfen, ja, die derzeit von Verantwortlichen aus Gesellschaft und Politik als Richtschnur und Handlungsanweisung verstanden werden. Die einfache Diktion kann allerdings leicht über den tieferen Sinn des Textes täuschen. Deshalb hier eine Vorabinterpretation:
Ein Indianerhäuptling sieht sich mit einem epochalen Verkehrsinfrastrukturprojekt konfrontiert. Er fasst dieses Vorhaben als Bedrohung seiner gewohnten Lebensweise, schließlich als Verlust von Identität und Sinngebung auf. Der Häuptling will das Althergebrachte bewahren, sieht dabei die Anwendung von Gewalt als Option. Kurz vor Kampfeshandlungen, bei denen es durchaus zu Verlust von Menschenleben kommen könnte, tritt aber eine positive Wendung ein. Offenbar wurde die Frau (aka Squaw) des Häuptlings durch die Initiatoren des Verkehrsinfrastrukturprojektes überzeugt: Das Vorhaben habe seine Richtigkeit. Technologischer Fortschritt sei das Gebot der Stunde. Diese Vorgehensweise ist mittlerweile Konsens. Es heißt: Man wende sich an die Frauen und Mütter, um die brauseköpfigen und uneinsichtigen Männer einzuhegen. Resolut tritt die Squaw ihrem Jeronimo entgegen. Zudem bekommt der Häuptling von der Eisenbahngesellschaft das Angebot, Teil des Projektes zu werden. Alles gut. Und hier der Text:

Schön war Sie, die Prärie. Alles war wunderbar. Da kam an weißer Mann.
Wollte bauen, Eisenbahn

Refrain: Da sprach der alte Häuptling der Indianer.
Wild ist der Westen schwer ist der Beruf
Uff

Böse geht er nach Haus und er gräbt Kriegsbeil aus. Seine Frau
Nimmt ihm keck Kriegsbeil und Lasso weg

Refrain

Häuptling schrie ziemlich laut, fuhr fast aus roter Haut. Seine Frau nahm sich Pfeil
Stach ihn, ins Hinterteil (ja ja ja)

Refrain
Eisenbahn spuckte Dampf. Häuptling kam wollte Kampf
Weißer Mann sprach komm her Du bist gleich Conducteur (ja ja ja)

Refrains

Manch einer mag einwenden, dieser Schlager glorifiziere krasse Menschenrechtsverletzungen insbesondere die indigener Völker. Dem ist eine Erkenntnis entgegenzuhalten, die mittlerweile zum Prinzip geworden ist: Wer Arbeit schafft hat Recht.

Und sucht nicht derzeit die Deutsche Bahn händeringend nach Personal? Einfach mal Gus Backus hören.
https://www.youtube.com/watch?v=EjOGuG5mDsE

Montag, 22. Juli 2019

Einige Wahrheiten über Biokaffee


Das Kaffeeunternehmen Tschibo entdeckt die feinen Seiten der Kaffeeernte. Zu sehen ist das unter: https://www.youtube.com/watch?v=4u_G9hB_YVQ
Da man aber nun nicht weiß, wie lange der Werbeclip im Netz bleibt, hier eine kurze Beschreibung.
Wir erfahren, die Geschichte spielt in Äthiopien. Der Off-Text informiert:
 Echt Äthiopien Echt Bio direkt vom Ursprung. Hier wird unser Bio Kaffee nach alter Tradition hundertprozentig und ganz eng mit der Natur verbunden angebaut. 
 Wir sehen lächelnde Pfücker*innen bei der Arbeit. Ihre Kleidung wirkt ortsüblich folkloristisch, vielleicht ein wenig schäbig aber nicht abstoßend. Zudem darf angenommen werden, dass sich die Pfücker*innen vor Beginn der Pflückarbeit ihre Hände mit biologisch unbedenklichen Reinigungsmitteln in Reformhausqualität die Hände gereinigt haben, damit alles Bio bleibt.
Wie schön. Ursprünglich und ganz eng mit der Natur verbunden. Von Anbeginn scheinen die Pflanzen von hochqualifizierten, weitgehend gewaltfreien Getieren umsummst und bestäubt worden zu sein. Und wie dann die Kaffeekirschen schließlich geerntet werden, darüber klärt wiederum der Off Text auf. ‚Liebevoll von Hand gepflückt‘ sagt der Sprecher. Liebevolles Pflücken geht ungefähr so: Pflücker*innen halten eine kurze Ansprache, denn sie wissen um das Ungemach, dass Pflanzen erleiden können, wenn sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Sie werden sagen:
 “Liebe Kaffeekirschen, Ihr seid nun reif und Euch steht ein großes, aufregendes Abenteuer bevor. Denkt nur welche Freude Ihr den Menschen in Deutschland schenken werdet. Wir versprechen Euch auch ganz sanft zu sein und falls Ihr Euch noch von Euren Verwandten verabschieden wollt, dann kommen wir in etwa 10 Minuten wieder.“ 
So wird das gemacht in Äthiopien unter der wohlwollenden Anleitung der Tschibo Verantwortlichen. Man wird eingestehen müssen: Mehr liebevoll geht nicht. Das hat allerdings auch seinen Preis. Aber gerne doch, sagt dann der Tschibo-Bio-Kaffee-Konsument im fernen Europa.