Man möge den etwas akademisch klingenden Titel verzeihen.
Aber es geht um ernste und relevante Themen.
Es ist ein grober Fehler, den deutschen Schlager als Heimat
belangloser Seichtheit zu diffamieren. Schon früh bezog der Schlager emphatisch
Position, wenn es darum ging, brennende soziale Probleme wie etwa die
Integration von Migranten in die (Arbeits-)Welt der Mehrheitsgesellschaft
anzuprangern oder wenigstens zu thematisieren. Es bedarf schon großer
Gefühlskälte, ließe man sich von Titeln wie ‚Griechischer Wein‘ (Udo Jürgens)
oder ‚‘Zwei kleine Italiener‘ (Cornelia Froboess) nicht anrühren. Schlager wie
diese zeichnen ein bedrückendes Bild des Gemütszustandes von
(Arbeits-)Migranten. Allerdings erscheinen diese und
ähnliche Titel etwas zu eindimensional, setzten sie doch lediglich auf
Einfühlung und Mitleid. Lösungsperspektiven werden nicht aufgezeigt. Ganz
anders hingegen der Titel ‚Da sprach der alte Häuptling der Indianer.‘ Gus
Backus gebührt höchstes Lob dafür, dass er den Diskurs, wie Integration durch
attraktive Angebote gelingt, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht
hat. Bereits in den frühen 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts formulierte Backus
Strategien, die auch heute noch Gültigkeit beanspruchen dürfen, ja, die derzeit
von Verantwortlichen aus Gesellschaft und Politik als Richtschnur und
Handlungsanweisung verstanden werden. Die einfache Diktion kann allerdings
leicht über den tieferen Sinn des Textes täuschen. Deshalb hier eine
Vorabinterpretation:
Ein Indianerhäuptling sieht sich mit einem epochalen
Verkehrsinfrastrukturprojekt konfrontiert. Er fasst dieses Vorhaben als
Bedrohung seiner gewohnten Lebensweise, schließlich als Verlust von Identität
und Sinngebung auf. Der Häuptling will das Althergebrachte bewahren, sieht
dabei die Anwendung von Gewalt als Option. Kurz vor Kampfeshandlungen, bei
denen es durchaus zu Verlust von Menschenleben kommen könnte, tritt aber eine
positive Wendung ein. Offenbar wurde die Frau (aka Squaw) des Häuptlings durch die Initiatoren des Verkehrsinfrastrukturprojektes überzeugt: Das Vorhaben habe seine Richtigkeit. Technologischer Fortschritt sei das Gebot der Stunde. Diese Vorgehensweise ist mittlerweile Konsens. Es heißt: Man wende
sich an die Frauen und Mütter, um die brauseköpfigen und uneinsichtigen Männer
einzuhegen. Resolut tritt die Squaw ihrem Jeronimo entgegen. Zudem bekommt der
Häuptling von der Eisenbahngesellschaft das Angebot, Teil des Projektes zu
werden. Alles gut. Und hier der Text:
Schön war Sie, die Prärie. Alles war wunderbar. Da kam an weißer Mann.
Wollte bauen, Eisenbahn
Wollte bauen, Eisenbahn
Refrain: Da sprach der alte Häuptling der Indianer.
Wild ist der Westen schwer ist der Beruf
Uff
Wild ist der Westen schwer ist der Beruf
Uff
Böse geht er nach Haus und er gräbt Kriegsbeil aus. Seine Frau
Nimmt ihm keck Kriegsbeil und Lasso weg
Nimmt ihm keck Kriegsbeil und Lasso weg
Refrain
Häuptling schrie ziemlich laut, fuhr fast aus roter Haut. Seine Frau nahm
sich Pfeil
Stach ihn, ins Hinterteil (ja ja ja)
Stach ihn, ins Hinterteil (ja ja ja)
Refrain
Eisenbahn spuckte Dampf. Häuptling kam wollte Kampf
Weißer Mann sprach komm her Du bist gleich Conducteur (ja ja ja)
Weißer Mann sprach komm her Du bist gleich Conducteur (ja ja ja)
Refrains
Manch einer mag einwenden, dieser Schlager glorifiziere
krasse Menschenrechtsverletzungen insbesondere die indigener Völker. Dem ist
eine Erkenntnis entgegenzuhalten, die mittlerweile zum Prinzip geworden ist:
Wer Arbeit schafft hat Recht.
Und sucht nicht derzeit die Deutsche Bahn händeringend
nach Personal? Einfach mal Gus Backus hören.
https://www.youtube.com/watch?v=EjOGuG5mDsE