Samstag, 18. Juli 2009

Jobanzeigen. Prima Prosa für Arbeitswillige

Jobanzeigen. Prima Prosa für Arbeitswillige.
Unternehmen informieren potenzielle Mitarbeiter gerne über die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um für ein etwaiges Engagement in Betracht gezogen zu werden. Diese Texte – ob im Netz oder im Print – zu formulieren ist offenbar mühsam. Sie zu entschlüsseln ebenfalls. Welche Absicht mag sich tatsächlich hinter ihnen verbergen? Gibt es einen Code, der nur der Bruder- oder Schwesternschaft Eingeweihter zugänglich ist? Möglicherweise verhält es sich so. Denn so kann der Bewerberkreis von vornherein enger gefasst werden. Wie das funktioniert (oder auch nicht) - einige Beispiele.

Auf einer Branchenplattform fand ich wiederholt Annoncen einer TV-Produktionsfirma mit Sitz in Köln, die sich vor allem durch eine Gemeinsamkeit auszeichnete:
In wenigen Zeilen haben die einzelnen Annoncen es geschafft, mindestens 2 schwerwiegende Rechtschreibfehler zu versammeln.
Angelegentlich habe ich den Geschäftsführer darauf angesprochen und der sagte ganz launig: Das macht doch nichts. Wir machen Fernsehen. Da kommt es auf so etwas doch nicht an. Außerdem sei das Formulieren derartiger Anzeigen Sache der Praktikanten.
In diesem Falle ist die unausgesprochene Botschaft klar: Für das Fernsehen, wie diese Produktionsfirma es versteht, ist die Beherrschung wesentlicher Kulturtechniken nicht wichtig.

Überaus „sophisticated“ wird es, wenn ausgewiesene Kommunikationsprofis Anzeigen formulieren. Da steht im Anforderungsprofil der namhaften PR-Agentur fischera. folgender Satz:

„Verschreibungspflichtige Medikamente, OTC-Produkte und Gesundheitspolitikgehören zu Ihren Lieblingsthemen."

Soso, verschreibungspflichtige Medikamente! Das ist selbstverständlich eine Aufforderung endlich einmal sein Verhältnis zu derartigen Heilmitteln zu überprüfen.
Aber vielleicht möchte fischera. lediglich die Satirefestigkeit der Kandidaten testen?

Ich schrieb also zurück:

„Sehr geehrte Frau L. ,Ihrem Stellenangebot in "newsroom" entnehme ich, dass Sie jemanden suchen, der oder die verschreibungspflichtige Medikamente zu seinen/ihren Lieblingsthemen zählt.Zitat:"Verschreibungspflichtige Medikamente, OTC-Produkte und Gesundheitspolitik gehören zu Ihren Lieblingsthemen."Verschreibungspflichtige Medikamente als Lieblingsthema sind meiner Meinung nach ein ausgesprochen exotisches Gebiet. Die meisten Bewerber werden auf hartnäckiges Nachfragen Dinge wie gutes Essen, Literatur, Sport, vielleicht Numismatik und dergleichen als Lieblingsthemen einräumen müssen. Mir geht das ähnlich ( ausgenommen Numismatik ). Allerdings muss ich eingestehen, ich kann nicht ausschließen, dass verschreibungspflichtige Medikamente doch zu einem meiner Lieblingsthemen avancieren könnten. Letztlich habe ich sehr gute Erfahrungen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gemacht. Außer bei dem Mal, als sich ein nässender Ausschlag bildete - wo, verrate ich Ihnen aber nicht.Deshalb möchte ich Sie bitten, mir eine Chance zu geben. Im Erfolgsfall gewinnen Sie einen Mitarbeiter, der sich hingebungsvoll mit jeder Faser seines Seins der Sache der verschreibungspflichtigen Medikamente widmet.Über eine Antwort freue ich mich sehr.“

Mit meiner Annahme, fischera. wolle meine Satirefestigkeit abfragen, lag ich allerdings daneben. Frau L. forderte mich nüchtern auf, meine vollständigen Bewerbungsunterlagen zu senden. Danach hörte ich nichts mehr von Frau L. von fischera. Die einfachste Erklärung wäre hier zugleich eine betrübliche.
Die Mädels und Jungs in den HR-Abteilungen wissen weder was sie da formulieren, noch verstehen sie es, Antworten zu lesen.


Dass global agierende Unternehmen wirklich global fühlen, denken und fordern, bekommt der interessierte Arbeitswillige sogleich durch den globalen Duktus des Textes vermittelt. So sucht das große, global aufgestellte TK-Unternehmen mit Sitz in Bonn einen:

„Fach Senior Manager Business Development“

Senior Manager Business Development ist halbwegs verständlich. Was aber bedeutet “Fach”? Selbst durch intensives Studium englisch/amerikanischer Wörterbücher wurde mir der Sinn nicht klar. Gibt es ein derartiges Wort im Englischen überhaupt? Ist das womöglich einer dieser oben bereits erwähnten Geheimcodes? Und wenn ja, wie sprechen die bei der Telekom es aus?
Fäck? Fack?

Unternehmen haben ja auch eine Mission (sprich: mischn). Die fragliche Position – Fack Senior Manager…- ist eingebettet in die Mission „Superior User Experience & Simplicity“. Weiter unten wird es dann noch genauer: Der fragliche „Bereich“ (man hätte auch „department“ texten können) heißt „Content & Media Partnering“.

Zurück zur Mission. Eine Mission zu haben ist klasse und ein „musthave“. Zumal versehen mit dem Attribut „Superior“. Das klingt sphärenschauend und scheint sich um höhere Stufen der Wahrnehmung zu bemühen.
Auf der anderen Seite dann das bodenständige „Simplicity“. Es geht also auch um Einfachheit und Reduzierung und nicht nur um Durchgeistigtes.
Folglich dürfen sich auch reine Simpel angesprochen fühlen?
Nun liegt es ja im Trend, einfache Lösungen finden zu wollen. Die Lebenserfahrung zeigt, dass gerade faule Menschen eher in der Lage sind, einfache Lösungen zu finden, weil direkte, wenig komplizierte Wege ihrem Naturell am ehesten entsprechen. Hingegen verlaufen sich hochmotivierte, fleißige und ehrgeizige Menschen gerne in Detailhubereien. Das hält sie in Bewegung, das lässt sich in ihrer Organisation prima nach oben melden. Das bringt letztlich Renommee.
Aber nein. Produktive Faulheit ist hier nicht gefragt, sondern:

„ Hohes Engagement und Belastbarkeit sowie hohe kommunikative Fähigkeiten“

Fraglos, die Mission „Superior User Experience & Simplicity“ hat was. Um der Mission zum durschlagenden Erfolg zu verhelfen, fehlt aus meiner Sicht allerdings noch die Hinzuziehung des Bereiches (Departments) „Pomp & Circumstance“. Den gibt es noch nicht? Nun aber mal flott! Sonst wird das nichts.

Anton Strumpf freut sich auf Ihre Geschichten.
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Freitag, 17. Juli 2009

Geschichten vom Arbeitswilligen

Die Wege von Arbeitswilligen sind gesäumt von Ablehnungen und Absagen potenzieller Arbeitgeber. Nur die allerwenigsten dieser Absagen lassen ein Bemühen erkennen, höflich zu sein, zu erklären und somit den Bewerber in seiner Würde zu belassen.
Die allermeisten hingegen lesen sich als Dokumente von Inkompetenz, Gleichgültigkeit, schlichter Blödheit, oder bestenfalls fehlender Professionalität.

Besonders Spitzfindige mögen hier einwenden: Form und Inhalt derartiger Schreiben seien keine Fehlleistungen. Nein, eher finde sich hier Fürsorge und Sympathie für den abgelehnten Bewerber. Denn aus der Tonalität der Absage könne der abgesagte Arbeitswillige auf das Arbeitsumfeld in dem jeweiligen Unternehmen schließen. Und das stelle sich eben so mies dar, damit die Trauer des Abgelehnten ein wenig gemildert werde; vielmehr sei es ein Glücksfall für den Abgelehnten, nicht in so einem Unternehmen arbeiten zu müssen.
An dieser Sichtweise mag etwas dran sein. Ich glaube das allerdings nicht.

Ich möchte einige Beispiele anfügen. Den Anfang macht ein global aufgestelltes Unternehmen mit Sitz in Leverkusen. Es ging um eine Position im Bereich der internen Kommunikation. Nach einem etwa zweistündigen Vorstellungsgespräch mit den Herren Sp. und B. erhielt ich folgende Mail

„Ihre Bewerbung als … (m/w) vom x. September

Sehr geehrte/r Frau/Herr Strumpf,
vielen Dank für Ihre Bewerbung. Sie hat uns sehr gut gefallen. Wir
haben uns jedoch für eine/n andere/n Mitbewerber/in entschieden.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihren weiteren Berufsweg.
Mit freundlichen Grüßen
B. Direct Services GmbH
Team Source, Select, Separation“

Ich war ein wenig irritiert, denn während des Gespräches hatte ich – glaube ich – keine Zweifel an meiner geschlechtlichen Identität (männlich) aufkommen lassen. Ich bat um erklärende Worte und erhielt folgende Antwort. (Rechtschreibefehler stammen nicht von mir.)

„Sehr geehrter Herr Strumpf, zuerst einmal möchten wir uns für die anonyme Form der Absage entschuldigen. Die Entscheidungsfindung ging schneller als erwachtet. Somit kam die Entscheidung für Sie früher als erwachtet. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir zu den Gründen der Entscheidungsfindung keine Aussage treffen. Die uns von Ihnen überlassenen Ansichtssachen werden wir Ihnen schnellstmöglich zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen

B. „

Ob Mann oder Frau? Dies zu entscheiden tut sich nicht nur der Weltkonzern aus Leverkusen schwer:


„Sehr geehrter Herr Strumpf,
Zunächst bedanken wir uns herzlich für Ihre Bewerbung und möchten uns gleichzeitig für die sehr verspätete Antwort entschuldigen.

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir den Bewerbungsvorgang abgeschlossen und uns für eine/n andere/n Bewerber/in entschieden haben.

Wir bedauern, Ihnen keinen positiven Bescheid geben zu können. Die späte Rückmeldung bitten bitten wir nochmals höflichst zu entschuldigen.

Für Ihre weitere berufliche Zukunft wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen

(CC) GmbH“

Das ist arg. Sie haben jemanden eingestellt und wissen nicht ob Mann oder Frau. Mein Rat, einfach mal nachzufragen, blieb ohne Antwort.

Deutlich die Latte des Zuträgliche gerissen hat auch folgende Absage:

„Bewerbung bei lettra


Sehr geehrte NAME,

vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr damit verbundenes Interesse an einer Mitarbeit bei lettra. Die Auswahl der großen Anzahl an Bewerbungen auf unsere Stellenanzeige hat mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen erst heute antworten können.
Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir Sie nicht in den engeren Bewerberkreis einbezogen haben, da wir uns auf Kandidaten konzentrieren, die unserem Anforderungsprofil noch besser entsprechen.

Wir wünschen Ihnen für Ihre berufliche und persönliche Zukunft alles Gute und verbleiben

mit freundlichen Grüßen“

Mitunter bekommt man auch möglicherweise geheime Botschaften zugesandt wie in diesem Text:

„ Sehr geehrter Herr Strumpf,
wir haben die Möglichkeit (…. der Folgetext war gespickt mit Zeichen wie br oder <>< und endete )...
Mit freundlichen Grüßen

PleX Central Recruiting.“

Ich frage mich, was mach br <>/ bei PleX? Vielleicht der Verfasser / die Verfasserin des Schreibens. Vielleicht, denn eine Unterschrift fehlt.

Sehr beliebt sind bei Absagen auch Standardformulierungen wie: „Aufgrund der großen Zahl an Bewerbungen bitten wir Sie um Verständnis dafür, dass wir uns nicht für Sie entscheiden konnten.“
Sätze wie diese sind in sich so logisch wie die Behauptung: Aufgrund der vielen Autobahnbaustellen, bitten wir Sie um Verständnis, dass die Apfelernte in diesem Jahr nicht das Volumen des Vorjahres erreicht.
Ambivalent sind diese Sätze überdies. Einerseits ist es ein schönes Gefühl: Man ist nicht allein im Universum, sondern hat viele Gefährten und Gefährtinnen, die sich zu demselben Ziel aufmachten.
Andererseits schwingt darin auch mit: Ihr blöden Arbeitswilligen. Ihr tretet an in Armeestärke. Macht uns so viel Mühe. Wir haben in der HR-Abteilung eh schon so viel zu tun. Wir wissen ob der Belastung weder ein noch aus. Wir haben es gar nicht einfach. Bitte weint mit uns und habt Verständnis.


In einem Fall hat mich eine Absage sehr verunsichert:

„Sehr geehrter Herr Strumpf,

vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Unternehmen und Ihre Bewerbung.

Leider können wir diese im weiteren Personalisierungsprozeß nicht mehr berücksichtigen.

Bis dahin wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einer neuen Herausforderung.

Mit freundlichen Grüßen
K.V. Interim Services GmbH “
Was ist ein Personalisierungsprozeß? Das wollte ich wissen und fragte nach:
Sehr geehrte Frau K.,

danke für Ihre Nachricht. Gestatten Sie mir zwei Fragen:
- Wo hat es geklemmt?
- Was ist ein Personalisierungsprozeß ?
Ist das im weitesten Sinne der Prozess, durch den man zu einer Person wird? Und falls ich mit meiner Vermutung richtig liegen sollte, werde ich dann im Falle einer Nichtmehrberücksichtigung zu einer Nichtperson? Gilt das dann auch für mein privates Umfeld oder nur für die DTAG.
Sie werden verstehen, dass mich das sorgt. Ich bitte um ein paar erklärende Worte.

Mit freundlichen Grüßen“

Keine Antwort von Frau K.


Keine Antwort ist auch die Regel, wenn es darum geht Annoncentexte richtig zu verstehen.

„Subject: Ihre Anzeige "Junior Producer"

Sehr geehrte Frau R.,

in Ihrer Anzeige las ich folgende Anforderung:

"Ihre Englischkenntnisse sind genauso gut wie Ihre MS-Office-Kenntnisse"

Heißt das: Bewerber, die weder Englisch noch MS-Office-Kenntnisse aufweisen können, sind Ihnen auch willkommen?

Mit freundlichen Grüßen“

Ach, Anzeigentexte. Das ist wirklich ein eigenes Kapitel bei den Geschichten vom Arbeitswilligen.
Später.


Anton Strumpf freut sich auf Ihre Geschichten.
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