Donnerstag, 23. Juli 2009

Arbeitswillige erweitern ihren Wortschatz durch Korrespondenz

Potenzielle Arbeitgeber verfügen über einen Reichtum an Vokabular, von dem auch der Arbeitswillige durchaus profitieren kann. Hin und wieder teilen die potenziellen Arbeitgeber ihren Wortschatz. Der Arbeitswillige muss lediglich in Korrespondenz zu ihnen treten.
Die Vorgeschichte: Im Laufe eines Jobinterviews bei dem großen Telekommunikationsanbieter mit Sitz in Bonn überließ ich meinem Gegenüber zwei DVDs mit selbstgefertigtem Ansichtsmaterial. Ich verband damit die nicht ganz unbegründete Hoffnung, dass diese vertrauensvoll überlassenen Arbeitsproben ein positives Licht auf meine Qualifikationen werfen mögen und somit die meinerseits im Gespräch geäußerten
Aussagen untermauerten.
Leider konnte sich mein Gegenüber, Herr St. nicht dazu durchringen, die fragliche Position mit mir zu besetzen.
In einer Mail, teilte ich ihm mein Bedauern über das Ergebnis des Besetzungsprozesses mit und bat ihn, mir die DVDs zurück zu senden. Nun enthielten diese zwar keine Daten, aufgrund derer verfeindete Geheimdienste zu weitreichenden Eliminierungen antreten würden …
Aber immerhin – schützenswert waren sie schon.
Keine Reaktion zunächst. Ich wiederholte meine Bitte eine Woche darauf. Keine Reaktion.
Eine Woche später bot ich der Telekom an, die Versand- und Verpackungskosten für die Rücksendung zu übernehmen. Dazu brauchte ich lediglich eine Vorgangs- und Kontonummer.
Diese meine Bereitschaft brachte den Durchbruch. Ich erhielt eine Nachricht:

Subject: AW: Unser Gespräch vom 22.07.09

Guten Tag Herr Strumpf,

noch einmal vielen Dank für unser Gespräch hier in Bonn. Leider kann ich Ihnen die DVDs durch ein Büroversehen derzeit nicht zurücksenden, wofür ich mich nur entschuldigen kann: Sofern Ihnen Kosten entstanden sind, übernehmen wir diese natürlich.

Freundliche Grüße


Klasse. Büroversehen. Was ist das? Vielleicht hilft das Wörterbuch weiter. Aber nein. Büromöbel… Büroschluss und dann geht es weiter mit Bursch.
Auch der Online Duden weiß keinen Rat. Und was ist mit den Alleswissern von Wikipedia. Auch hier nichts. Nur der Hinweis auf einen ähnlichen Begriff: Bürovorsteher.
Woher hat Herr St. nur diesen Terminus. Selbst erfunden? Dann Chapeau, Herr St..
Ne, das ist nicht von ihm. Es kommt aus den unergründlich, kreativen Wortbrutanstalten der Juristerei.
Hier die Definition:

Als Büroversehen werden beispielsweise folgende Vorfälle angesehen:
- Abhandenkommen von Schriftstücken
- Verwechseln von Schriftstücken
- Unrichtige oder vergessene Eintragungen
- Versehentliche Nichtabsendung einer Rechtsbehelfsschrift
- Falsche Adressierung
- Falsche Postleitzahl
Führt ein Büroversehen zu einem Verschulden i.S.d. §110?

In bestimmten Fällen kann der Berater die Fristenkontrolle Hilfskräften übertragen. Haben die Hilfskräfte die Fristversäumnis verschuldet liegt ein Büroversehen vor, welches dem Berater nicht angelastet wird.

Ich lerne: Herr St. ist von jedem Vorwurf freizusprechen. Es waren halt die doofen Hilfskräfte.
Als sehr nobel empfinde ich es, dass er nicht rüde schreibt: Herr / Frau Müller hat es verbockt. Nein, er entschuldigt sich und stellt sich schützend vor seine Hilfskräfte.
Von dieser Haltung können sich viele Chefs eine dicke Scheibe abschneiden. Das macht aber auch sehr traurig, da ich sehr gern im Team eines solchen Vorgesetzten gearbeitet hätte. Die sind ja so selten wie Goldstaub in einem EU-Schlachtbetrieb.

Immerhin habe ich einen tollen, universell einzusetzenden Begriff gelernt.
Müll nicht runtergebracht – Büroversehen.
Vorfahrt missachtet – Büroversehen.
Frist nicht eingehalten – Büroversehen.

Toll. Es ist allerdings darauf zu achten, dass in dem Büro auch tatsächlich Hilfskräfte vorhanden sind.
Bei personallosen Büros ist dieser Begriff mit Aussicht auf Erfolg kaum anzuwenden.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Prima Prosa für Arbeitswillige II Ein Unternehmen hat Druck

Prima Prosa für Arbeitswillige II
-Ein globales Unternehmen hat Druck-

Auf der Jobseite der Bundesagentur für Arbeit, die vom Layout immer etwas von Resterampe oder Billigstdiscounter vermittelt, gab es gleich 3 nahezu gleich lautende Annoncen zu besichtigen. Eingestellt von unterschiedlichen Zeitarbeitsfirmen.
Gesucht wurde ein Redakteur/in im Bereich Broadband Video.

Tätigkeitsprofil:

inhaltliche Auswahl, Aufbereitung und Pflege des Angebots, enge Zusammenarbeit(Schnittstelle) mit produktübergreifenden Teams (Produktmanagement, Technik, Design), Optimierung der internen operativenProzesse (PC- und TV-basierte Produkte), Produktweiterentwicklung unter Berücksichtigung von Markt, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen.
Anforderungsprofil:
Abgeschlossenes Hochschulstudium oder vgl. Ausbildung, Gespür für redaktionelle Themen und gute journalistische Kenntnisse , sehr gute Kenntnisse im Online und Video Produktionsbereich (z.B. Adobe Photoshop, Content-Management-Systeme), gute Englischkenntnisse, hohes Engagement, Kreativität und Teamfähigkeit .


Auftraggeber sei ein renommiertes, ein international agierendes Unternehmen der Kommunikationsbranche in Darmstadt. Was mag das sein? Die Telekom möglicherweise?
Ja, so ist es, wie ein Anruf bei einem der Zeitarbeiter bestätigt.
Worum es wirklich geht, wird dann mit gesenkter Stimme wie folgt erklärt:
„Sie schauen 8 Stunden täglich Pornofilme und schreiben irgendwelche Bewertungen darüber“.


Illegal ist das ja nicht. Man muss nur ein gewisses Alter erreicht haben. Das signalisiert ja bereits die Anforderung „abgeschlossenes Hochschulstudium“.
Nur, was darf man sich in diesem Bereich unter produktübergreifenden Teams vorstellen? Die erste Assoziation ist sicherlich falsch. Dafür ist das Unternehmen viel zu renommiert.
Auch „Berücksichtigung von Markt, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen“ ist
eher formalorganisatorisch und nicht im Wortsinne zu lesen.
Bleibt schließlich noch die Frage, was ein Redakteur letztlich dort machen soll? Ohhhs und Ahhs zählen und beim Überschreiten einer definierten Grenze auf ein statthaftes Maß herunter kürzen?
Hinter dieser Annonce verbirgt sie sich, die Nagelprobe auf die Arbeitswilligkeit. Die Frage ob man Dauerporno zumal in Darmstadt ersprießlich findet, darf sich nicht stellen.
Dennoch gebe ich zu Bedenken: Wahrscheinlich ist diese Tätigkeit kein Sprungbrett für höhere Weihen in dem renommierten Unternehmen.