Mittwoch, 10. Oktober 2018

#meetoo wirkt – ein wenig



Gelegentlich führt der Weg über den Friedhof. Dort finden sich einigermaßen verstörende Grabinschriften. Etwa: Frau Geheimrat Heinrich Müller oder Frau Wilhelm Meier. Das Todesdatum klärt auf, dass die Leiche schon länger dort liegt. So um die 100 Jahre vielleicht. Aha, denkt jetzt der von den aktuellen Diskussionen um Gender-Themen nicht unberührte Friedhofspassant, entweder die waren damals schon moderner als gedacht, weil der Vorname nichts über das Geschlecht aussagen sollte/durfte /wollte. Das ist – wie gesagt- eine Interpretation. Historisch wahrscheinlicher ist aber, dass man den Frauen seinerzeit nicht einmal einen eigenen Vornamen gönnte. (OK. Das gilt nicht für alle und jeden Grabstein. In der Regel scheinen es Angehörige der oberen Mittelschicht plus zu sein /gewesen zu sein. Das lässt sich gut aus der Prachtentfaltung der Begräbnisstätte schließen.) Der Brauch, Frauen, Ehefrauen zumal, den Vornamen und damit eine eigene Identität vorzuenthalten, hat sich erstaunlich lange gehalten. Bis weit über die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus hieß es: Küssdiehand Frau Kommerzienrat Müller. (Dabei wurde das ‚Heinrich’ weggelassen. Ist ja auch nur ein Beispiel, denn Frau Heinrich Müller liegt bereits auf dem Friedhof.)
Jetzt aber mal runter vom Friedhof und hin zu Kirsch- und anderen überaus süßen Likören. In zeitgenössischen Filmen der 30er bis 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts ist zu beobachten: Die Herren rauchen und trinken Cognac (unmittelbar nach 45 aka Asbach). Die Frauen (aka Damen) bevorzugen Likör. An diesem nippen sie gelegentlich gerne auch separiert von den Männern in getrennten Räumlichkeiten bis sie dann wieder mit den Herren zusammenkommen. Trendig waren auch ‚Damenkränzchen‘, die i.d.R. nachmittags abgehalten wurden und bei denen mit Fleiß Kaffee und Likörchen gereicht wurden. Zu derartigem heiteren Beisammensein wurde meist per Briefpost eingeladen. Auf dem Kuvert stand dann allerdings nicht ‘An Ephigenie Briest‘ sondern ‘An Frau Rittergutsbesitzer Gustav Briest‘. Dieser Duktus hat sich in gewissen gesellschaftlichen Kreisen noch erstaunlich lange im 20.Jahrhundert erhalten.
Nun aber zu der Tatsache, dass #meetoo und andere emanzipatorische Bewegungen tatsächlich etwas in Richtung Veränderung angestoßen haben. Deutlich wird das u.a.in einer Stellenannonce der Produktionsfirma FlimmerX . Gesucht wird:  Redakteur/in in Festanstellung oder auf Tagessatz-Basis.
Laut Selbstauskunft ist die Firma jung und dynamisch. Offenbar hat die Firma alte Konventionen von der Bettkannte geschubst. Recht so. Weiter erfährt M/W/ (und neuerdings auch) D:
Wir machen es sowohl schnell und schmutzig, als auch lang und schön.“. 
So liest sich das wohl, wenn Herrentorten texten. Vorsicht. Es könnten Damen anwesend sein bzw. mitlesen. Und wirklich. Damen finden in der Annoncen Erwähnung.
Feierabendbier wäre auch noch drin (für die Damen Prosecco)“
 Wir lernen: Die Zeiten des damenhaften Am-Likör-Nippens sind vorbei. Die Genderdiskussion zeigt Wirkung. Bier statt Asbach/Cognac, Prosecco statt Likörchen. Kleine Fortschritte. Viel zu kleine. Ach jeh. Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut.