Freitag, 15. November 2013

Stuttgart ohne Erwähnung im Alten Testament




Kurz und knapp soll der Texter formulieren können, der von einer Agentur in Stuttgart gesucht wird. Die Agentur ist auch mit einem anspruchsvollen Beispiel bei der Hand. Man möge - falls verlangt - das Alte Testament in 15 Zeilen zusammenfassen  können nötigenfalls in der Tonalität einer Supermarktkette.
Das wäre in der Tat eine Herausforderung, zumal  bei weiten Teilen der interessierten Arbeitswilligen das Alte Testament nicht mehr als bekannt vorausgesetzt werden darf. Bibelfest war mal.
Der Arbeitswillige scheut diese Aufgabe nicht und webt seine zielgerichtete Kompetenz flugs in sein Anschreiben.

"Sehr geehrter Herr Geschäftsführer,
das Alte Testament für Supermärkte in wenigen Zeilen?
"Heute Streusalz 'Lots Frau'- der 10Kilo-Sack nur zweiachtundneunzig. 'Brennender Dornbusch'- die Literflasche für achtdreiundfünzig.
Im zweiten Teil erfahren Sie, wie das Wort am Anfang war und was dann geschah.

Für 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' bekomme ich aber bitte 18 Zeilen.
Mit besten Grüßen
Ihr Arbeitswilliger"

Wenige Zeit später erhält der Arbeitswillige ein Mail von A. aus Berlin. Durch seine Zeilen weht ein Hauch von Bedrohung und Ungemach. Er schreibt:

"Hallo Anton,
vielen Dank für deine Unterlagen und dein Interesse an R..
Bei der ausgeschriebenen Stelle handelt es sich um unser Stuttgarter Gesuch, dessen bist du dir bewusst-oder?"

Meiner Seel. Ist das eine Warnung von jemandem, der es gut meint mit dem Arbeitswilligen?
Fragen hilft. Der Arbeitswillige mailt zurück.

"Guten Tag A.,
 gibt es etwas Furchtbares an Stuttgart, das Du weißt und ich nicht?
 Schönen Gruß"

Darauf mailt der A. sinngemäß, er wolle nur sichergehen, ob der Arbeitswillige auch wirklich einen temporären Umzug in Betracht ziehe. Im Übrigen sei er noch nie in der Schwabenmetropole gewesen, könne sich folglich kein Urteil über die Stadt bilden.
Der Arbeitswillige ist gerührt von so viel Fürsorge. Die sei allerdings nicht nötig. Er schreibt:

"Lieber A.,
da habe ich Dir ja mal was voraus. Also, ich war schon mal in Hannover. Von Hannover heißt es im Volksmund: Wer einmal in Hannover war – dem gefällt es überall. So, und erst danach war ich in Stuttgart ... Aber Danke für das fürsorgliche Vermuten eines Missverständnisses."








  

Ein sehr, sehr krankes Unternehmen




Es geht um Krebs. Genauer um Onkologie, also um die Wissenschaft, die sich mit dieser Krankheit beschäftigt. Für dieses Gebiet sucht das Pharmaunternehmen B-MS einen Communications Manager (m/w) Zu den Aufgaben gehört:

"Als Communications Manager (m/w) im Bereich Onkologie sind Sie für die Marken- und Patientenkommunikation verantwortlich und unterstützen dabei, über unsere Krankheitsbilder aufzuklären."

Das findet der Arbeitswillige heikel.
Viele Unternehmenslenker sprechen von ihren Mitarbeitern gerne als unsere Mitarbeiter.  In diesem Falle haben die Mitarbeiter offenbar Krankheitsbilder. Der Unternehmenslenker darf somit mit gutem Recht von unseren Krankheitsbildern sprechen. Das sind nämlich die Krankheitsbilder, die im Unternehmen vorliegen. Und wo sonst sollten sie vorliegen als bei und in den Mitarbeitern. Es ist ja kaum anzunehmen, dass  das Inventar wie Schreibtische, Telefone oder Teppichböden an Krebs erkranken. Diese Erkrankungen sollen nun an und mit weiteren Patienten kommuniziert werden. Das ist eigentlich ein schöner Gedanke. Zum einen verleiht das dem Pharmaunternehmen Glaubwürdigkeit, weil es den außenstehenden Patienten sagen kann:  Seht her! Auch wir in unserer Firma sind hart betroffen von dieser unseligen Krankheit. Wir reden nicht nur vom grünen Tisch aus. Auch unsere Mitarbeiter sind weithin betroffen; wir sind mit Euch, arme Erkrankte, auf Augenhöhe. Zum anderen empfindet das der Arbeitswillige als ein wenig unanständig. Es fiele ihm schwer, in die Welt hinaus zu blasen, dass Herr Schmidt vom Empfang an Blutkrebs, die Laborantin Frau Schulze hingegen an Lungenkrebs erkrankt ist.
Überdies fürchtet der Arbeitswillige sich davor miterleben zu müssen ,wie  liebgewordene Kollegen (m/w) im Laufe der Zeit an die heimtückische Krankheit verloren gehen.  Nicht zuletzt hat der Arbeitswillige Angst, dass auch er nach und im Laufe der Probezeit Teil von "unseren Krankheitsbildern" wird.  Ein so geartetes Risiko ist wohl nicht von der Hand zu weisen.
Lieber nicht.