Dienstag, 9. April 2013

Ein Paralleluniversum ist bereits gelandet





Nicht jedem schlägt dieselbe Stunde.  Nicht jeder hat dieselbe Zeit.  Zeit ist flexibel.  Arbeitszeit zumal. Das wissen wir ja.  Kürzlich stieß der Arbeitswillige auf ein Angebot, das mit dem als allgemein gültig empfundenen  Zeiterleben radikal aufräumt. Die Aufgaben:
  • Beratung und Begleitung der Fachabteilungen bei der Realisierung von Filmprojekten
  • Erstellung von Unternehmensvideos
  • Schnitt-, Ton- und Bildbearbeitung
  • Erstellung von Animationen
  • Erarbeitung von Konzepten und Drehbüchern
Das sind ja feine  und anspruchsvolle Aufgaben. Das muss auch so sein, denn:
Unser Mandant zählt zu den führenden Kreditinstituten in Deutschland und bietet maßgeschneiderte Finanzierungskonzepte für Privat- und Firmenkunden. Für dieses renommierte Haus suchen wir für den Standort Frankfurt am Main zum 01.06.2013...
Aus eigenem Erleben weiß der Arbeitswillige, dass sich Menschen in Unternehmen, die Filme und Videos erstellen lassen wollen, gerne Zeit lassen und nehmen. Denn bis all das, was gezeigt und gesagt werden soll, durch die unterschiedlichsten internen /externen Abstimmungsstufen eskaliert ist .... da ziehen schon mal Wochen ins Land. Darum ist der Arbeitswillige überrascht, als er liest:
Die Position ist ausschließlich im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung zu besetzen und zunächst bis 31.07.2013 befristetet.
Sicher, das Leben allgemein, das Arbeitsleben insbesondere dreht sich immer schneller. Aber  lediglich 2 Monate für die oben genannten Ergebnisse im Plural?
Den  Arbeitswilligen verlangt es nach Gewissheit. Er erkundigt sich mittels einer Mail.
Sehr geehrte Frau E.;
mit Interesse sehe ich das oben näher bezeichnete Jobangebot. Kann es sein, dass sich bei der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein kleiner Fehler eingeschlichen hat? Vom 1.6. bis 31.7. scheint mir für die Exekutierung dieses anspruchsvollen Profils etwas kurz gegriffen. Falls es jedoch zutreffen sollte, wie lange wäre dann eine Probezeit?
Vielen Dank für eine Antwort
.
Und tatsächlich ist Frau E. so nett und antwortet:
Sehr geehrter Herr Arbeitswilliger,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Es handelt sich tatsächlich nicht um einen Tippfehler. Die Position ist zunächst im Rahmen der Zeitarbeit für den Zeitraum vom 1.6. bis zum 31.07.2013 angefordert. Es besteht die Option auf Verlängerung.
Die Probezeit würde jedoch trotzdem 6 Monate betragen.
Beste Grüße

Nun kennt sich der Arbeitswillige nicht genau aus mit Quantenphysik, mit Wurmlöchern und ähnlich gelagerten Zeitsprüngen. Er kann auch nicht ausschließen, dass es Menschen gibt, die souverän in der Zeit hin- und herreisen können.  Für sich selber muss er mit Bedauern ausschließen, dass er in 2 Monaten eine 6monatige Probezeit  hinbekommen könnte.  Option hin oder her. Das liegt sicherlich in seiner Person begründet. Die bei dem führenden Kreditinstitut können das. Und noch viel mehr. Sie sind schließlich "Masters of the universe". So hat das mal in einem Film geheißen. Und in mehreren Filmen hat das ja mit dem flexiblen Raum-/Zeitkontinuum geklappt. Vielleicht ist das ja der eigentliche geforderte Beratungsansatz (siehe oben): Fachabteilungen dabei zu helfen, wie sie Zeit transzendieren können.

Montag, 8. April 2013

Hat sich was mit schöner Sprache.



Es gibt traurige Entwicklungen.  Den Arbeitswilligen ereilte eine Absage. Dabei  ließ sich alles so wunderbar an.  Die Annonce fragte: "Genießen Sie schöne Sprache". (siehe hierzu den Beitrag 'Worte wollen wirken.) Der Arbeitswillige hat sein Möglichstes getan, um in der gebotenen Kürze darzulegen, ja, schöne Sprache sei ihm ein Genuss. 
In dürren Worten teilte man ihm mit:
" ... dass wir Sie aufgrund der zahlreichen Bewerbungen nicht in die engere Wahl nehmen konnten."
Der Arbeitswillige tut sich schwer damit, die Begründung als schlüssig zu akzeptieren. Allein die Anzahl der Bewerbungen sei ausschlaggebend gewesen?  Das kann doch nicht sein. Das Masseargument ist armselig.  Es war zu viel, darum sind Sie nicht dabei. Ist das logisch? Nein. Ist das schöne Sprache? Auch nicht.
Vielleicht hätte der  Arbeitswillige bei seiner Bewerbung  auf unanfechtbare Autoritäten verweisen sollen. Eichendorff zum Beispiel. Der hat bereits 1838 das Geheimnis der erfolgreichen Bewerbung  wie folgt beschrieben:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“
Tja ja der  Eichendorff, der hat ja so Recht. Und wie schön gesprochen. 'Triffst Du nur das Zauberwort". Das ist es. Das muss man treffen, dann fängt der Personaler an zu singen und zwar das Loblied des Kandidaten.  Besser als der zu Unrecht verstorbene E. kann man es nicht sagen. Da mühen sich Legionen von wohlmeinenden und auch Geld  verdienen wollenden Ratgebern, wie man den Kandidaten/ den Kandidatinnen so ein Zauberwort, mit dem sie Herz und Hirn des Personalers bestricken,  andienen könnte.... vergebens. Meist. Aber bei Eichendorff ist Hoffnung und schöne Sprache zugleich. ( Einschub: Der Arbeitswillige bezweifelt, ob der Herr E. - obwohl nachweislich der schönen Sprache mächtig , bei der annoncierenden Firma positiv aufgefallen wäre. Allein schon wegen der zahlreichen Bewerbungen.)
Aber nehmen wir nur einmal an, es hätte nur drei bis vier Bewerbungen gegeben und eine davon wäre von Rilke - auch ein Meister der schönen Sprache - gekommen, und dann hätte die Personalerin gegoogled, weil sie sich ja auch einen Überblick darüber verschaffen möchte, was der Rilke sonst noch so drauf hat, und wäre auf folgende Zeilen gestoßen:
"Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt".
Dann hätte sie sich eingestehen müssen, das sei auch eine schöne Sprache. Das steht auch ein Sinn dahinter. Mit ein wenig Empathie kann man da auch den Gemütszustand vieler Arbeitswilliger und Bewerber beschrieben sehen. Aber:  Dann doch lieber den Eichendorff. Der ist irgendwie positiver.