Montag, 11. Februar 2013

Visionen, Waidmänner und Telekom für Eingeweihte



Wer hat noch nicht mit staunenden Ohren gelauscht, wenn Waidmänner von ihrem angeblich edlen Waidwerk erzählen? Da fallen Worte wie:  Abbaumen, ein Stück aufbrechen, aus der Decke schlagen, verkuhlen, Bruch und Schweiß, ein Stück verhofft und dergleichen mehr. Lassen wir den Jägersleuten ihre verbalen Grillen, respektieren wir ihren Jargon, der sich über Jahrzehnte und vielleicht Jahrhunderte etabliert hat und diejenigen, die ihn zu gebrauchen verstehen, als Mitglieder eines eingeweihten Kreises, ja einer Bruderschaft ausweist.
Einen Jargon der ganz besonderen Art pflegt meisterlich auch das Telekom-Unternehmen mit Hauptsitz in Bonn, das die regionalen Grenzen längst überwunden hat und nunmehr als Global Player bezeichnet werden darf. (Damit ist nicht die Konversation mit Call-Center MA gemeint.) Die Lektüre einer Jobannonce dieses Unternehmens ist immer wieder ein Vergnügen, eine Bereicherung, da sich der Blick weitet  in die vagen Universen verschwurbelter Streusandinformationen. Das beginnt mit der Stellenbezeichnung.
Gesucht wird ein:
Fach-Senior Manager Core Telco Products Evangelist (m/w)
Alle Achtung wie hier elegant das Beste aus zwei Sprachwelten komponiert wird. Allein, wie spricht man das richtig aus? Deutsch und solide: „Fach“ und dann weiter mit englischem /amerikanischem Zungenschlag? Oder ist bereits "Fach" wie "Fäk" auszusprechen.
Weiter heißt es:
Wir sorgen für Kundenorientierung, Einfachheit, ein exzellentes Nutzungserlebnis, ein werthaltiges Produktportfolio und nachhaltige Wirtschaftlichkeit. Neben einem tiefen Markt- und Kundenverständnis bringen wir Unternehmertum sowie Innovations- und Technologiekompetenz in die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen im Konzern ein. Für die Realisierung der Konzernvision 'Connected Life and Work' brauchen wir Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlichsten Profilen, die Neugierde und Kreativität in unser erfolgreiches Team einbringen.
Es ist prima zu erfahren, dass der Konzern eine fest umrissene Vision hat. Nur Spötter wie der Altbundeskanzler merken hier an: Wer Visionen hat, möge zum Arzt gehen. "Nicht nur der psychisch Labile hat gelegentlich eine Vision sondern auch der trommeltanzende, Psychopilze kauende Schamane oder der inbrünstig Katholische. Letzterer wird mit einigem Glück und Geschick heiliggesprochen. Sollte der Wunsch nach Heiligsprechung hinter der Vision der Telekom stehen? Besteht der unternehmerische Ehrgeiz darin, die Heiligenschar um einen Sankt Telekom zu bereichern?"
(Apropos Vision. Der Arbeitswillige glaubt sich zu erinnern, in einer zurückliegenden Offerte erfahren zu haben, das Unternehmen verfolge eine "Mission". Nun also eine Vision. Vision sticht Mission. Das ist schlau. Das kann man so sehen.)
Zunächst liest sich die Aufgabenbeschreibung wie etwas, das man mit Fertigkeiten in externer / interner Kommunikation durchaus lösen kann. Die Lust am eitlen, pompösen Fabulieren ist in der Offerte stets spürbar. (Der Arbeitswillige erspart sich die 1:1 Wiedergabe an dieser Stelle).
Die Sache hat jedoch einen fetten Haken. Denn die Offerte richtet sich nur an Bewerber, die die telekomeigene Initiation bereits hinter sich haben.
  • Idealer Weise haben Sie ein Hochschulstudium abgeschlossen und
    bereits umfangreiche Erfahrungen in verschiedenen Aufgaben und
    Funktionen bei der Telekom gesammelt.
  • Wir erwarten von Bewerbern für diese Aufgabe umfassende
    Kenntnis des Telekom Konzerns, seiner Strategie und Struktur,
    Produkte und Dienste.
Der Arbeitswillige fragt sich, warum das Unternehmen für den freien Markt eine derartige Anzeige schaltet, wo doch offenbar nur Kandidaten in Betracht kommen, die bereits mit dem Unternehmen vertraut sind, sprich Hausgewächse. Also, um mit dem Waidmann zu sprechen: Warum verkuhlt das Unternehmen seine Besetzungswünsche nicht auf internen Plattformen? Dort finden sich gewiss Menschen in ausreichender Zahl, die gut im Feuer stehen und auch vertraut äsend sich dem Auswahlverfahren stellen. Die können dann mitreden und mitverstehen, weil sie mit dem Intern-Sprech vertraut sind. Frohes Aufbaumen wünscht dabei der Arbeitswillige.
Weiter fragt sich der Arbeitswillige, ob tatsächlich Menschen von Bildung, Geschmack und Stilempfinden, die überdies noch " Kundenorientierung und Einfachheit" (s.o.) auf ihren Fahnen führen, sich von derartigem Wortgeklingel angesprochen fühlen.
Nach einigem Überlegen ist die Antwort ganz einfach: Die suchen nicht. Die haben ja schon. Und zwar jemanden, der kein Spaßverderber ist, weil er den Konzernjargon abspulen kann. Das ist nicht verwerflich. Denn: Nehmen wir einmal an, man kommt als Novize in die Runde von Waidmännern, die enthusiastisch von Luderkuhle, Bruch und Geäse sprechen. Und der Novize muss bei jedem 2.Begriff nachfragen, was damit gemeint sein könnte. Da kann doch keine Vision entstehen. Geschweige denn transportiert werden. Und so sagt der Arbeitswillige mit leisem Bedauern: Bleibt man schön unter euch.