Freitag, 11. Januar 2013

Multimultimultifunktionale Tätigkeitsverdichtung



(Tapfer sein. Längerer Text)

Donnerwetter, sagte sich der Arbeitswillige angesichts der Wunschliste eines möglichen Arbeitgebers. Ein Redakteur wird gesucht für das Web-TV eines regionalen Unternehmens, das Datennetze, Logistik, Energie, Wasser etc. anbietet. Das Anforderungsprofil (in Auszügen):

-  Abgeschlossenes Hochschulstudium, idealerweise Journalistik, Kommunikationswissenschaft oder
ähnliche Fachrichtung
-  Einschlägige Erfahrungen in der Produktion von Web-TV Beiträgen
-  Sicherer Umgang mit VJ-Kameras und Videoschnittsystemen (Premiere)
-  Technisches Know-how im Bereich Video/Audio
-  Ausgeprägtes Interesse an der Entwicklung neuer Bewegtbildmedien und deren Einsatz in der  Unternehmenskommunikation
-  Sicheres Beherrschen journalistischer Darstellungsformen und Interviewtechniken (insbesondere für audiovisuelle und Online-Medien)
-  Perfektes Beherrschen der deutschen Sprache sowie eine gute Aussprache, idealerweise erste
Sprechererfahrungen
-  Ausgeprägte Fähigkeiten im Bereich Moderation/Präsentation
-  Erfahrungen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit  in Unternehmen, idealerweise im Bereich Online,  Social Media oder Video
-  Grundlegende Kenntnisse des Projektmanagements
-  Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und Agenturen
-  Sicherer Umgang mit Office-Programmen (Windows/Mac) sowie grundlegende Kenntnisse von  Kreativprogrammen (Photoshop, InDesign)

Und die Aufgaben (ebenfalls in Auszügen):

- Moderation von Web-TV Beiträgen/Studiotalks
- Koordination von Videojournalisten  und Produktionsteams
- Strategische und kreative Weiterentwicklung des Formats
-  Produktion von Web-TV Beiträgen für das Konzern-Intranet im Rahmen eines internen  Kommunikationskonzeptes
- Produktion von Videobeiträgen/Trailern für sonstige interne und externe Kommunikationszwecke
(Veranstaltungen, Werbung etc.)
- Technische und organisatorische Betreuung des Web-TV Studios und angeschlossenem Regie- und Schnittplatz
-  Redaktion und Produktion von Beiträgen für diverse Print- und Onlinemedien (Kundenmagazin „einundzwanzig“, Flyer, Präsentationen etc.)
-  Medienarbeit, Organisation von Presseterminen und Beantwortung von Foto-, Dreh- und Presseanfragen etc.

Wie gesagt, das sind lediglich Auszüge aus der imponierend detailreichen Wunschliste. Kurz gesagt:
Ein  breitestes Spektrum redaktioneller  Fertigkeiten möge der Kandidat / die Kandidatin mitbringen.
(Wobei die Erfahrung zeigt, dass ein guter Talk-Moderator etwa nicht unbedingt ein guter Organisator  oder Filmautor sein muss.)
Darüber hinaus wird fundierte Praxis in technischen Belangen - Kameraführung, Studioregie, Ton und Schnitt - verlangt. Die Fähigkeit, Scheinwerfer zu setzen, womöglich eine Lichtdramaturgie zu entwickeln, wird nicht erwähnt. Würde aber das Gesamtbild  komplettieren. Als mit der Materie Vertrauter ist der Arbeitswillige bislang davon ausgegangen, dass ein Redakteur gerade technisch getriebene Prozesse besser Spezialisten überlassen sollte wie: Kameraleuten, Studiotechnikern, Cuttern, Beleuchtern und dergleichen mehr. Das ergibt in der Regel ein ansprechenderes Ergebnis.
Doch nein. Ein Anruf beim AG klärt auf: All diese Fähigkeiten muss eine Person auf sich vereinen. Details seien nicht verhandelbar. Multifunktionalität ist der Zauberbegriff. Die Frage, ob ein Redakteur im Rahmen der technischen Betreuung (siehe oben) gut mit dem Lötkolben umgehen müsse, blieb im Gespräch unbeantwortet.
Nun hat der Arbeitswillige beim Thema gespreizter Multifunktionalität einige Vorbehalte. Nehmen wir zum Beispiel diese Geräte, die drucken, faxen und scannen können und zu erstaunlich niedrigen Preisen angeboten werden. Man darf ruhig davon ausgehen, dass bei diesen Geräten mindestens eine Funktion eher weniger gut ausgeführt wird. (Bei Geräten unter 100 € sind es wohl alle Funktionen.) Oder um ein anderes Bild zu verwenden: Man darf doch hochzufrieden sein, wenn ein Zahnarzt  seinen Job gut macht. Er ist nicht dadurch ein guter Zahnarzt, wenn er zudem Herzen transplantieren kann.
Mag aber sein, die Qualitätsansprüche und - Vorstellungen des Arbeitswilligen decken sich nicht mit denen des AG.
Und wie wird so ein multifunktionaler  Mitarbeiter letztlich bezahlt? Ich denke, darüber muss man sich keine Sorgen machen. Durch Peer Steinbrück wissen wir: Versorgungsunternehmen zahlen recht ordentlich.






Mittwoch, 9. Januar 2013

Die Annonce als subtiler Hilfeschrei





Manche Annoncen tragen das Hauptargument, warum die ausgeschriebene Position von größerer Wichtigkeit sei, schonungslos vor. So auch in dem Fall der Annonce für eine auf 2 Jahre beschränkte Tätigkeit an einer norddeutschen Fachhochschule. Der / die Verfasser(in) dieser Anzeige versteht es, Sinn und Berechtigung der ausgeschriebenen Position schnörkellos auf den Punkt zu bringen. So steht dort:
 "Zu den wesentlichen Aufgaben gehören in Abstimmung mit dem Leiter Kommunikation:
  • Recherchieren, Verfassen und Redigieren von Texte (sic!)
  • Konzeption und redaktionelle Betreuung.... etc."
Die benötigen wirklich jemanden, der / die das mit den Texten noch mal erklärt. Wie das so läuft und was man machen kann, wenn einem so ein Rächtsschreibfehler passiert. Leider ist die Stelle auf 2 Jahre befristet. Was passiert 2016, wenn die Stelle ausgelaufen sein wird? Hofft man seitens der Fachhochschule darauf, dass dann keine Texte mehr redigiert oder verfasst werden müssen, weil es dafür dann eine App gibt? Oder weil dann die Rechtschreibung qua Volksbegehren  abgeschafft sein wird? Abschließende Anmerkung: Gemessen an der Notwendigkeit der angebotenen Tätigkeit ist das Entgelt eher mäßig.