Gelegentlich führt der Weg über den Friedhof. Dort finden
sich einigermaßen verstörende Grabinschriften. Etwa: Frau Geheimrat Heinrich
Müller oder Frau Wilhelm Meier. Das Todesdatum klärt auf, dass die Leiche schon
länger dort liegt. So um die 100 Jahre vielleicht. Aha, denkt jetzt der von den
aktuellen Diskussionen um Gender-Themen nicht unberührte Friedhofspassant,
entweder die waren damals schon moderner als gedacht, weil der Vorname nichts
über das Geschlecht aussagen sollte/durfte /wollte. Das ist – wie gesagt- eine
Interpretation. Historisch wahrscheinlicher ist aber, dass man den Frauen
seinerzeit nicht einmal einen eigenen Vornamen gönnte. (OK. Das gilt nicht für
alle und jeden Grabstein. In der Regel scheinen es Angehörige der oberen
Mittelschicht plus zu sein /gewesen zu sein. Das lässt sich gut aus der
Prachtentfaltung der Begräbnisstätte schließen.) Der Brauch, Frauen, Ehefrauen
zumal, den Vornamen und damit eine eigene Identität vorzuenthalten, hat sich
erstaunlich lange gehalten. Bis weit über die Mitte des vorigen Jahrhunderts
hinaus hieß es: Küssdiehand Frau Kommerzienrat Müller. (Dabei wurde das
‚Heinrich’ weggelassen. Ist ja auch nur ein Beispiel, denn Frau Heinrich Müller
liegt bereits auf dem Friedhof.)
Jetzt aber mal runter vom Friedhof und hin zu Kirsch- und
anderen überaus süßen Likören. In zeitgenössischen Filmen der 30er bis 60er
Jahre des vorigen Jahrhunderts ist zu beobachten: Die Herren rauchen und
trinken Cognac (unmittelbar nach 45 aka Asbach). Die Frauen (aka Damen)
bevorzugen Likör. An diesem nippen sie gelegentlich gerne auch separiert von
den Männern in getrennten Räumlichkeiten bis sie dann wieder mit den Herren
zusammenkommen. Trendig waren auch ‚Damenkränzchen‘, die i.d.R. nachmittags
abgehalten wurden und bei denen mit Fleiß Kaffee und Likörchen gereicht wurden.
Zu derartigem heiteren Beisammensein wurde meist per Briefpost eingeladen. Auf
dem Kuvert stand dann allerdings nicht ‘An Ephigenie Briest‘ sondern ‘An Frau
Rittergutsbesitzer Gustav Briest‘. Dieser Duktus hat sich in gewissen
gesellschaftlichen Kreisen noch erstaunlich lange im 20.Jahrhundert erhalten.
Nun aber zu der Tatsache, dass #meetoo und andere
emanzipatorische Bewegungen tatsächlich etwas in Richtung Veränderung
angestoßen haben. Deutlich wird das u.a.in einer Stellenannonce der
Produktionsfirma FlimmerX . Gesucht wird:
Redakteur/in
in Festanstellung oder auf Tagessatz-Basis.
Laut Selbstauskunft ist die Firma jung und
dynamisch. Offenbar hat die Firma alte Konventionen von der Bettkannte
geschubst. Recht so. Weiter erfährt M/W/ (und neuerdings auch) D:
„Wir machen es sowohl
schnell und schmutzig, als auch lang und schön.“.
So liest sich das
wohl, wenn Herrentorten texten. Vorsicht. Es könnten Damen anwesend sein bzw.
mitlesen. Und wirklich. Damen finden in der Annoncen Erwähnung.
„Feierabendbier
wäre auch noch drin (für die Damen Prosecco)“
Wir lernen: Die
Zeiten des damenhaften Am-Likör-Nippens sind vorbei. Die Genderdiskussion zeigt
Wirkung. Bier statt Asbach/Cognac, Prosecco statt Likörchen. Kleine
Fortschritte. Viel zu kleine. Ach jeh. Rom wurde auch nicht an einem Tag
gebaut.
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