Wer bereits das Pech hatte, die ein oder andere Absage auf
eine Bewerbung einstecken zu müssen, dem wird
sicherlich die phrasenhafte Ausformulierung dieser Texte aufgefallen sein. Nun mag sich der betroffene
Arbeitswillige die Frage stellen, ob es nicht irgendwo eine
Mustersammlung gibt, aus der die Personaler Sinn und Inspiration beziehen, um
den abzulehnenden Arbeitswilligen eben diesen an sich betrüblichen Umstand
mitzuteilen. Die Antwort: Ja, gibt es (
z.B. http://www.absage-bewerbung.de/absagen-generator-absagen-individuell-zusammenstellen/
).
Prima ist auch die Behauptung, dort würden Dinge
"individuell" zusammengestellt. Aber sogar für das leichte,
tränenquetschende Bedauern findet sich im Netz ein passender Textbaustein, den
Personaler per Copy/Einfügen in so ein
erstklassiges Absageschreiben einbauen.
Ha! Alles faule Ärsche, diese Personaler, hört man es jetzt landauf landab
schreien. Gemach. So einfach ist das nicht.
Personaler d ü r f e n gar nicht ehrlich sein. Schrieben sie die wahren Gründe für eine Ablehnung wie: "Sie sind zu alt, Sie Sack / Sie Trutsche".
Oder : "Ihr Name klingt irgendwie kirgisisch. Und mit Kirgisen haben wir
gar keine Erfahrungen gemacht, wollen wir auch nicht. " Wenn sie so
individuell und ehrlich schrieben, dann käme Justitia über sie und schlenkerte
das Schwert des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes. Und nicht zuletzt tragt Ihr, liebe
Mitarbeitswillige, ja auch die Schuld an der
Floskelabsagenmisere. Was
untersteht Ihr Euch auch und bewerbt Euch in Legionsstärke auf ein und
dieselbe Position. Da müssen dem
Personaler ja die Formulierungen ausgehen, wollte er jede einzelne Bewerbung
individuell durch eine geschliffen getextet Absage adeln.
Wer nun meint, Personaler führten ein leichtes, bequemes
Leben, weil sie ja Hilfsmittel ohne Ende zur Verfügung hätten , nicht einmal
selbständig formulieren bzw. denken müssten sie. Irrtum. So ein Personaler
leidet. Leidet daran, dass er nicht so formulieren kann, wie er möchte. Es gibt
für sie /für ihn nur noch eine enge Nische, in der er weitgehend ohne
Einschränkung texten kann, wo er sich - mit Einschränkungen- austoben
kann: Die Job-Annoncen. Und dort findet
man dann wahre Perlen des entfesselten
Formulierungswillens. Hier etwa.
Aimaq von L.
ist eine Creative Brand Consultancy und hat ihren Sitz in der sich stets
wandelnden und neu erfindenden Mitte Berlins. Wir entwickeln Strategien und
Kommunikationslösungen, die intelligent sind, emotionalisieren und unterhalten.
Wir denken vernetzt und beschreiten auch unkonventionelle Wege.
Jobbeschreibung
Zur Unterstützung unserer Kreation für einen neuen Kunden suchen wir ab
sofort einen ideenreichen und sehr engagierten
Senior Texter/Konzeptioner (m/w) Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa.
Dein Job ist es, herausragenden Ideen für Kunden zu entwickeln."
Senior Texter/Konzeptioner (m/w) Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa.
Dein Job ist es, herausragenden Ideen für Kunden zu entwickeln."
Jippieee. Auf in
die sich stets neu erfindende Mitte Berlins. Der normale provinzielle Dummplunz
wird von dem sich stets wandelnden
MitteBerlin wohl nichts mitbekommen. Nehmen wir mal an, so ein(e) er oder
sie ständerte drei Tage lang an ein und demselben Platz in Berlin Mitte herum,
würde er/sie am Ende wohl sagen müssen:
Nö, also neu erfunden hat sich in der Zeit, wo ich da gestanden habe,
nüschte. Und Wandel? Ja die Müllabfuhr kam mal vorbei. Soviel
zu "stets".
Aber dann der
Funktionstitel: Schuhe und Osteuropa. Man stelle sich nur einmal vor, man wird auf Tantchens
75sten Geburtstag von der Verwandtschaft gefragt, was man denn
erwerbsmäßig so treibe und man antwortete wahrheitsgemäß: " Ich bin
Konzeptioner Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa". Dann würde die gute Tante bedächtig den Kopf wiegen und
den alten Gassenhauer anstimmen:
"Du bist
verrückt mein Kind, Du musst nach Berlin. Wo die Verrückten sind - ja da musste
hin". Und dann könnte man antworten: " Aber da bin ich ja schon. Und
zwar in der sich stets
wandelnden und neu erfindenden Mitte Berlins." Alles gut,
bis auf die Schuhe und Osteuropa. Nicht ganz so gut ist folgender Suchauftrag.
Eine TV-Produktion sucht einen "Praktikant Klappe".
Nicht Eingeweihte denken nun, hier
werden Praktikanten mit Nachnamen Klappe gesucht, was die Zahl der Bewerbungen
einschränken dürfte. Dann gibt es zwei Sorten von Eingeweihten: Die einen wissen, dass die Klappe dazu da
ist, um bei Film und TV die einzelnen Aufnahmesequenzen definieren zu helfen.
Die anderen lesen den Begriff "Klappe" als traditionelle Bezeichnung
für den Ort, an dem sich homosexuelle Männer treffen und trafen, um schnelle,
sexuelle Kontakte zu praktizieren. Für
diesen Kreis der Eingeweihten wäre ein Praktikant Klappe sicherlich ebenfalls
positiv besetzt.
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