Donnerstag, 12. Dezember 2013

Im Würgegriff von obwaltenden Gegebenheiten und Paragraphen




Wer bereits das Pech hatte, die ein oder andere Absage auf eine Bewerbung einstecken zu müssen, dem wird  sicherlich die  phrasenhafte  Ausformulierung  dieser Texte aufgefallen sein.  Nun mag sich der  betroffene  Arbeitswillige die Frage stellen, ob es nicht irgendwo eine Mustersammlung gibt, aus der die Personaler Sinn und Inspiration beziehen, um den  abzulehnenden Arbeitswilligen  eben diesen an sich betrüblichen Umstand mitzuteilen. Die Antwort:  Ja, gibt es ( z.B. http://www.absage-bewerbung.de/absagen-generator-absagen-individuell-zusammenstellen/ ).
Prima ist auch die Behauptung, dort würden Dinge "individuell" zusammengestellt. Aber sogar für das leichte, tränenquetschende Bedauern findet sich im Netz ein passender Textbaustein, den Personaler per Copy/Einfügen  in so ein erstklassiges  Absageschreiben einbauen. Ha! Alles faule Ärsche, diese Personaler, hört man es jetzt landauf landab schreien. Gemach. So einfach ist das nicht.
Personaler  d ü r f e n  gar nicht ehrlich sein. Schrieben sie  die wahren Gründe für eine Ablehnung wie:  "Sie sind zu alt, Sie Sack / Sie Trutsche". Oder : "Ihr Name klingt irgendwie kirgisisch. Und mit Kirgisen haben wir gar keine Erfahrungen gemacht, wollen wir auch nicht. " Wenn sie so individuell und ehrlich schrieben, dann käme Justitia über sie und schlenkerte das Schwert des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes.  Und nicht zuletzt tragt Ihr, liebe Mitarbeitswillige, ja auch die Schuld an der  Floskelabsagenmisere.  Was untersteht Ihr Euch auch und bewerbt Euch in Legionsstärke auf ein und dieselbe Position.  Da müssen dem Personaler ja die Formulierungen ausgehen, wollte er jede einzelne Bewerbung individuell durch eine geschliffen getextet Absage adeln.     
Wer nun meint, Personaler führten ein leichtes, bequemes Leben, weil sie ja Hilfsmittel ohne Ende zur Verfügung hätten , nicht einmal selbständig formulieren bzw. denken müssten sie. Irrtum. So ein Personaler leidet. Leidet daran, dass er nicht so formulieren kann, wie er möchte. Es gibt für sie /für ihn nur noch eine enge Nische, in der er weitgehend ohne Einschränkung texten kann, wo er sich - mit Einschränkungen- austoben kann:  Die Job-Annoncen. Und dort findet man dann wahre Perlen des entfesselten  Formulierungswillens. Hier etwa.
Aimaq von L. ist eine Creative Brand Consultancy und hat ihren Sitz in der sich stets wandelnden und neu erfindenden Mitte Berlins. Wir entwickeln Strategien und Kommunikationslösungen, die intelligent sind, emotionalisieren und unterhalten. Wir denken vernetzt und beschreiten auch unkonventionelle Wege.
Jobbeschreibung
Zur Unterstützung unserer Kreation für einen neuen Kunden suchen wir ab sofort einen ideenreichen und sehr engagierten
Senior Texter/Konzeptioner (m/w) Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa.
Dein Job ist es, herausragenden Ideen für Kunden zu entwickeln.
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Jippieee. Auf in die sich stets neu erfindende Mitte Berlins. Der normale provinzielle Dummplunz wird von dem sich stets wandelnden  MitteBerlin wohl nichts mitbekommen. Nehmen wir mal an, so ein(e) er oder sie ständerte drei Tage lang an ein und demselben Platz in Berlin Mitte herum, würde er/sie am Ende wohl sagen müssen:  Nö, also neu erfunden hat sich in der Zeit, wo ich da gestanden habe, nüschte. Und Wandel? Ja die Müllabfuhr kam mal vorbei.   Soviel zu "stets".
Aber dann der Funktionstitel:  Schuhe und Osteuropa.  Man stelle sich nur einmal vor, man wird auf Tantchens  75sten Geburtstag  von der Verwandtschaft gefragt, was man denn erwerbsmäßig so treibe und man antwortete wahrheitsgemäß: " Ich bin Konzeptioner Schwerpunkt Schuhe und Osteuropa".  Dann würde die gute Tante bedächtig den Kopf wiegen und den alten Gassenhauer anstimmen:
"Du bist verrückt mein Kind, Du musst nach Berlin. Wo die Verrückten sind - ja da musste hin". Und dann könnte man antworten: " Aber da bin ich ja schon. Und zwar in der sich stets wandelnden und neu erfindenden Mitte Berlins." Alles gut, bis auf die Schuhe und Osteuropa. Nicht ganz so gut ist folgender Suchauftrag. Eine TV-Produktion sucht einen "Praktikant Klappe".
Nicht Eingeweihte denken nun, hier werden Praktikanten mit Nachnamen Klappe gesucht, was die Zahl der Bewerbungen einschränken dürfte. Dann gibt es zwei Sorten von Eingeweihten:  Die einen wissen, dass die Klappe dazu da ist, um bei Film und TV die einzelnen Aufnahmesequenzen definieren zu helfen. Die anderen lesen den Begriff "Klappe" als traditionelle Bezeichnung für den Ort, an dem sich homosexuelle Männer treffen und trafen, um schnelle, sexuelle Kontakte zu praktizieren.  Für diesen Kreis der Eingeweihten wäre ein Praktikant Klappe sicherlich ebenfalls positiv besetzt.  




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