Neulich hat der
Arbeitswillige in einer Absage lesen dürfen:
"vielen Dank für Ihr Interesse an einer Herausforderung in unserer Agentur."
Da ist er
wieder. Einer der Zentralbegriffe des Businesssprechs: Herausforderung. Das ist
ein Begriff von wundersam nuancenreichem
Zuschnitt. ( Wer das nicht glaubt, blicke kurz in den Duden.)
Nun scheint
sich die Auffassung durchgesetzt zu haben, Homo sapiens könne nicht ohne
Herausforderung existieren. Denn fehle es an Herausforderung - gerne auch im
Plural - so verbringe der Mensch seine
kümmerliche Existenz trübäugig in der sumpfigen Sphäre dumpfigster
Alltagssuppe. Auf der anderen Seite weiß
die Alltagsklugheit aber auch: Man solle sich nicht leicht herausfordern ( wohl
im Sinne von provozieren) lassen.
Wie auch immer
"Herausforderung" ist ein "sine qua non" in der
Arbeitswelt. Wie lange der Begriff allerdings noch wirken kann, ist aber fraglich. Neue Begriffe machen
der "Herausforderung" den Rang
streitig. Zum Beispiel der schöne
Begriff "Battle". So las der
Arbeitswillige in einem Fitnessstudio die Aufforderung: "Battle dich gegen
dich selbst". Der Arbeitslose
schließt daraus, wem Herausforderung nicht reicht, der muss demnächst Battle
schreiben oder signalisieren oder sagen. Aber so modern sind die Gralshüter des
Businesssprechs noch nicht - jedenfalls noch nicht auf breiter Front. Übrigens
kennen Kenner von Grimms Märchen längst
die höchste Perfektion eines " Battle-Dich-Gegen-Dich-Selbst".
Rumpelstilzchen. Am Ende der Geschichte, reißt sich Rumpelstilzchen selbst
entzwei. Bei Märchenfreunden gilt das als glückliches Ende. Ende der
Abschweifung und zurück zum "Interesse
an einer Herausforderung in der Agentur" . Diese Herausforderung ist
ja nicht näher spezifiziert. Das kann folglich bedeuten, der Arbeitswillige
könne sich seine Herausforderung in der
Agentur selbst suchen. Was wäre denn eine tolle Herausforderung? Der
Arbeitswillige könnte etwa bei den Klitschkos anrufen und sagen: Liebe Klitschkos,
ich brauche eine Herausforderung, möchte Sie gerne herausfordern. Wie wär's?
Wann passte es denn? Und die Klitschkos würden sagen: Das ginge im Prinzip in Ordnung. Allerdings
müsse der Arbeitswillige erst klären, in welchem der weltweit agierenden Boxverbände
er sei. Mit dieser Auskunft ginge der Arbeitswillige dann zum dem
Agenturvorgesetzen (m/w) und der/die würde dann sagen: Bitteschön, da haben Sie
doch Ihre Herausforderung. Klären Sie das mit dem Boxverband!
Mag aber auch
sein, die in der Agentur verstehen etwas anderes unter Herausforderung. Hier
ist nun zu beachten, in welchem Kontext der Begriff "Herausforderung"
im Businesssprech verwendet wird.
Herausforderung
hat hier Termini wie Schwierigkeit oder
Problem verdrängt. Warum ein Problem nicht mehr Problem und Schwierigkeit nicht mehr Schwierigkeit genannt werden darf, lässt sich
nur vermuten. Wahrscheinlich haben letztgenannte eine zu negative Gravitas.
So wird ein
Chef angesichts der katastrophalen Umsatzzahlen niemals vor versammelter Mannschaft
sagen: Leute, wir stehen vor groooooßen Schwierigkeiten. Er wird sagen: Wir stehen vor
Herausforderungen. Das klingt irgendwie
harmloser. Verharmlosung ist Trend,
schon seit Jahrtausenden. Die alten Griechen nannten ihre Rachegöttinnen ,
Erinyen, später "Euminiden" ( die Wohlmeinenden). Dahinter steckt
wohl der magische Glaube, dass wenn man sie nicht nennt, sie auch nicht
heraufbeschwört. In die gleiche Richtung
zielt auch die Volksweisheit: " Wenn man den Teufel nennt, schon kommt er
gerennt." Wir lernen, magisches Denken wirkt auch in der modernen
Businesswelt nach. (In diesem Zusammenhang
siehe auch die Vermeidung des Namens
Voldemort bei Harry Potter.)
Im Alltag klappt das nicht immer im gewünschten
Maße. Nehmen wir mal an, besagter Chef (der mit der Herausforderung angesichts der Katastrophe) konsultierte seinen Urologen und spräche:
Herr Doktor (m/w) ich habe Herausforderungen beim Pinkeln. Der Arzt würde sich
und seinen Patienten fragen , ob der Patient nicht eher einen Psychologen
aufsuchen wolle. Darauf würde der Chef,
falls er denn gewitzt ist, erwidern: Lieber Arzt (m/w) Die Herausforderung
liegt bei Ihnen, mich von meinen Herausforderungen zu befreien. Nein, so geht das nicht. Dennoch, erlauben
wir uns den Spaß, in die Zukunft zu
schauen. In eine Zukunft, in der die Herausforderung im Zuge sich
radikalisierenden Wettbewerbs von dem Begriff "Battle" ersetzt worden
ist. Dieselbe Szene klänge dann so: Doc ich hab´ne Battle beim Pinkeln. etc.
Zurück zur
Absage.
Ihre Bewerbungsunterlagen waren für uns wirklich sehr interessant. Leider müssen wir Ihnen
jedoch mitteilen, dass wir Ihnen auf Basis Ihres Profils zurzeit leider keine optimale Position anbieten
können.
(Der
Arbeitswillige weiß, "interessant" ist die kleine Schwester von
"scheiße". Das nur nebenbei.)
Es gibt keine optimale Position. Auf Optimales hat der Arbeitswillige
auch nicht zu hoffen gewagt. Wer kann schon das Optimale anbieten? Optimal ist der Endpunkt, ein Idealzustand,
der keinen Raum für Herausforderungen zulässt. Denn warum sollte man sich
Herausforderungen mit dem Ziel von Verbesserungen stellen, wenn doch bereits
alles optimal ist? Oder verstehen die in der Agentur unter einer optimalen
Position eine Tätigkeit (besser als Position, weil Position ja Statisches
impliziert), bei der Arbeitswillige
ständig vor Herausforderungen ( künftig :Battles) stehen?
Ach ja: Kann
jemand dem Arbeitswilligen mit der Telefonnummer von den Klitschkos aushelfen?
Vielen Dank.
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