Der Arbeitswillige nimmt an einer Schulungsmaßnahme
teil. Die Schulung trägt den
verheißungsvollen Titel: Selbstvermarktungsstrategien für Akademiker. Ziel dieser Unterrichtung ist es wohl, dass
Akademiker ihre Kompetenz-PS möglichst verlustfrei auf die Straße bringen. Das
muss erlernt werden. Denn im aktuellen Arbeitsmarkt ist eine akademische
Grundqualifikation, meist gepaart mit Berufserfahrung, noch lange kein Garant für
Erfolg. Nein, es kommt auch auf die Darstellung des Angebots an, anders gesagt
- die Vermarktung. Weil diese Vermarktung von niemandem sonst gestaltet und
übernommen wird, liegt die Verantwortung
beim Akademiker selbst. Konsequent heißt es also Selbstvermarktung.
Dafür gibt es Strategien. Die kann man lernen, verspricht das Seminar. Woran
merkt man nun, ob die Strategie erfolgreich war? Man erhält eine Anstellung.
Und darauf liegt der Fokus. Die wohl gängigste Methode, wie ein Arbeitgeber von
einem Arbeitswilligen erfahren kann, ist die Bewerbung. Damit fängt es an. Und
diese Bewerbung umweht ein großes Rätsel: Wie bewerbe ich mich richtig. Wie
komme ich zunächst an den Zerberussen Personaler(m/w) vorbei. (Nicht wenige
halten diese Spezies auch für einen vorgelagerten Schließmuskel- diese
Sichtweise ist in einschlägigen Foren hinreichend dokumentiert. Da muss man
durch. Dann durschreitet man das gülden glänzende Jobportal.)
Nur frischen Mut! Nahezu jedes Rätsel verträgt eine
Lösung.
Der Weg zum
Erkenntnisgewinn führt den Arbeitswilligen in die Randlage eines
Industriegebietes (dennoch erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln). Hier
steht ein relativ abgerocktes Bürogebäude. Dort geht es in den sechsten Stock.
Der Aufzug sei bereits seit Wochen außer Betrieb, heißt es wenig später. Vorbei an einigen
Büros führt der Weg zum Seminarraum. Stühle und Tische in U-Form angeordnet. Weder beängstigend noch
ungewöhnlich. Was den Arbeitswilligen jedoch wundert, sind das Krankenbett mit Galgen und ein Krankenstuhl mit Defäkationsvorrichtung.
Aufgrund welcher Erfahrungen wird solches Notfallmobiliar vorgehalten? Ist es
tatsächliche Erfahrung oder lediglich anteilnehmende Vorsicht? Das mit dem Kackstuhl scheint gut bedacht zu
sein, denn auf der relevanten Etage gibt es nur eine Toilette (m/w) für
Bürokräfte, Teilnehmer weiterer Seminare, Lehrende und
Bewerbungszauberlehrlinge. Der Arbeitswillige zählt 16 weitere Wissbegierige,
die für diesen und den nächsten Tag eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Alle
zusammengeschweißt durch die tiefsitzende Unsicherheit, ob denn was man über
sich sagt oder wie man was über sich sagt und schreibt auch höheren Orts Gnade,
Nachsicht und Interesse finde.
Und schon geht es los. Eine Frau entert den Raum mit
einiger Dynamik, zählt flugs die Häupter, sagt: "Es fehlen noch
drei.", stellt ihren Kaffee auf den für die Dozentin vorgesehenen Tisch
und geht wieder. Aber die Veranstaltung richtet sich ja auch an Akademiker. Und
die gute alte Cum-Tempore-Gewohnheit steckt nun mal drin.
Nun ist die Party komplett. Die Dozentin sprengt erneut
herbei, sagt, sie heiße Frau W. Einen Vornamen hat sie nicht. Auch was sie nun
besonders qualifiziert, wie sie sich die Tricks, Kenntnisse und Zauberformeln
zur Personalerumschmeichlung erworben hat, dazu kein Wort. Der Arbeitswillige
denkt sich, hm, wahrscheinlich wäre diese Information bei pünktlichstem Beginn
schon noch gewährt worden. Scheiß cum tempore.
Dennoch, Frau W. ist `ne Gute. Dass sie die Materie
wirklich durchdrungen hat, dass sie eine gerade gewachsene Autorität ist, das
vermittelt sie den Wissbegierigen im Weiteren mit Formulierungen wie: "Das
lasse ich gelten." oder "Das will der Personaler lesen, sehen, hören."
Sie vermittelt, wenn man an Frau W. vorbei ist, dann stehe die Arbeitswelt
offen und lächele heiter. Und so
vermittelt sie Sicherheiten in einer von Unsicherheiten geprägten Welt. Das ist
trostreich. Was haben der Arbeitswillige und seine Mitseminaristen (m/w) es
doch gut getroffen.
Frau W. steigt ziemlich rasant in die Präliminarien:
Diese Formulare müssten..., die Toiletten befinden sich am Ende des Ganges, ein
Bäcker 5 Minuten Fußmarsch in diese, ein Getränkeshop 3 Minuten in jene
Richtung. Der Fahrstuhl sei bereits seit Wochen kaputt.
Nun aber mit Hurra aufs eigentliche Thema. Damit
Strategien auch greifen, betrachte man zunächst einmal das Schlachtfeld, auf
das die Strategien gemünzt sind - den Arbeitsmarkt. (Der Arbeitswillige hält es
in Bezug auf Pläne und Strategien mit dem ollen Preußenmarschall von Moltke.
Der sagte: Kein Plan überlebt die erste Feindberührung. Aus seminartaktischen
Erwägungen behält der Arbeitswillige diese Erkenntnis allerding für sich.)
Jaja der Arbeitsmarkt. Hier findet Frau W. eine
schlüssige Analogie. Der Jobmarkt sei
wie die Wohnungssuche. Man starte mit der Maximalerwartung, das heißt 4 Zimmer
Altbauwohnung mitten in der City, mit Autostellplatz für 800 € warm. Haha ein
Mythos. Leider habe wohl jeder von jemandem gehört, der so etwas gefunden hat.
Jaja ein Mythos. Die Runde nickt versonnen bis sich ein Teilnehmer mit
Philosophiestudium meldet und fragt, was in dieser Analogie denn die anwesenden
Seminaristen seien? Ob sie die Suchenden
oder womöglich doch die Wohnung seien?
Die Analogie ist am Ende.
(Weiter mit der II. Abteilung)
2 Kommentare:
Danke für diesen tollen Blog! War der Maßnahmeträger etwa Mikropartner Service GmbH? Habe demnächst das unsagbare Vergnügen, auch in die Geheimnisse der "Selbstvermarktungsstrategien für Akademiker" eingeweiht zu werden... Kann es kaum erwarten!
Und es tut gut zu lesen, dass man nicht allein in diesem Wahnsinn feststeckt. Hab lange nicht mehr so gelacht, obwohl es eigentlich gar nicht mehr lustig ist. Bitte weitermachen. Ich werde in Zukunft öfter vorbeischauen!
Danke für diesen tollen Blog! War der Maßnahmeträger etwa Mikropartner Service GmbH? Habe demnächst das unsagbare Vergnügen, auch in die Geheimnisse der "Selbstvermarktungsstrategien für Akademiker" eingeweiht zu werden... Kann es kaum erwarten!
Und es tut gut zu lesen, dass man nicht allein in diesem Wahnsinn feststeckt. Hab lange nicht mehr so gelacht, obwohl es eigentlich gar nicht mehr lustig ist. Bitte weitermachen. Ich werde in Zukunft öfter vorbeischauen!
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