Samstag, 11. Mai 2013

Erste Abteilung: Gespräche im Seminarraum über die abwesenden Personaler (m/w)




Der Arbeitswillige nimmt an einer Schulungsmaßnahme teil.  Die Schulung trägt den verheißungsvollen Titel: Selbstvermarktungsstrategien für Akademiker.  Ziel dieser Unterrichtung ist es wohl, dass Akademiker ihre Kompetenz-PS möglichst verlustfrei auf die Straße bringen. Das muss erlernt werden. Denn im aktuellen Arbeitsmarkt ist eine akademische Grundqualifikation, meist gepaart mit Berufserfahrung, noch lange kein Garant für Erfolg. Nein, es kommt auch auf die Darstellung des Angebots an, anders gesagt - die Vermarktung. Weil diese Vermarktung von niemandem sonst gestaltet und übernommen wird, liegt die Verantwortung  beim Akademiker selbst. Konsequent heißt es also Selbstvermarktung. Dafür gibt es Strategien. Die kann man lernen, verspricht das Seminar. Woran merkt man nun, ob die Strategie erfolgreich war? Man erhält eine Anstellung. Und darauf liegt der Fokus. Die wohl gängigste Methode, wie ein Arbeitgeber von einem Arbeitswilligen erfahren kann, ist die Bewerbung. Damit fängt es an. Und diese Bewerbung umweht ein großes Rätsel: Wie bewerbe ich mich richtig. Wie komme ich zunächst an den Zerberussen Personaler(m/w) vorbei. (Nicht wenige halten diese Spezies auch für einen vorgelagerten Schließmuskel- diese Sichtweise ist in einschlägigen Foren hinreichend dokumentiert. Da muss man durch. Dann durschreitet man das gülden glänzende Jobportal.)
Nur frischen Mut! Nahezu jedes Rätsel verträgt eine Lösung.
 Der Weg zum Erkenntnisgewinn führt den Arbeitswilligen in die Randlage eines Industriegebietes (dennoch erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln). Hier steht ein relativ abgerocktes Bürogebäude. Dort geht es in den sechsten Stock. Der Aufzug sei bereits seit Wochen außer Betrieb,  heißt es wenig später. Vorbei an einigen Büros führt der Weg zum Seminarraum. Stühle und Tische in U-Form  angeordnet. Weder beängstigend noch ungewöhnlich. Was den Arbeitswilligen jedoch wundert, sind das Krankenbett  mit Galgen und ein Krankenstuhl mit Defäkationsvorrichtung. Aufgrund welcher Erfahrungen wird solches Notfallmobiliar vorgehalten? Ist es tatsächliche Erfahrung oder lediglich anteilnehmende Vorsicht?  Das mit dem Kackstuhl scheint gut bedacht zu sein, denn auf der relevanten Etage gibt es nur eine Toilette (m/w) für Bürokräfte, Teilnehmer weiterer Seminare, Lehrende und Bewerbungszauberlehrlinge. Der Arbeitswillige zählt 16 weitere Wissbegierige, die für diesen und den nächsten Tag eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Alle zusammengeschweißt durch die tiefsitzende Unsicherheit, ob denn was man über sich sagt oder wie man was über sich sagt und schreibt auch höheren Orts Gnade, Nachsicht und Interesse finde.
Und schon geht es los. Eine Frau entert den Raum mit einiger Dynamik, zählt flugs die Häupter, sagt: "Es fehlen noch drei.", stellt ihren Kaffee auf den für die Dozentin vorgesehenen Tisch und geht wieder. Aber die Veranstaltung richtet sich ja auch an Akademiker. Und die gute alte Cum-Tempore-Gewohnheit steckt nun mal drin.
Nun ist die Party komplett. Die Dozentin sprengt erneut herbei, sagt, sie heiße Frau W. Einen Vornamen hat sie nicht. Auch was sie nun besonders qualifiziert, wie sie sich die Tricks, Kenntnisse und Zauberformeln zur Personalerumschmeichlung erworben hat, dazu kein Wort. Der Arbeitswillige denkt sich, hm, wahrscheinlich wäre diese Information bei pünktlichstem Beginn schon noch gewährt worden. Scheiß cum tempore.
Dennoch, Frau W. ist `ne Gute. Dass sie die Materie wirklich durchdrungen hat, dass sie eine gerade gewachsene Autorität ist, das vermittelt sie den Wissbegierigen im Weiteren mit Formulierungen wie: "Das lasse ich gelten." oder "Das will der Personaler lesen, sehen, hören."  Sie vermittelt, wenn man an Frau  W. vorbei ist, dann stehe die Arbeitswelt offen und lächele heiter.  Und so vermittelt sie Sicherheiten in einer von Unsicherheiten geprägten Welt. Das ist trostreich. Was haben der Arbeitswillige und seine Mitseminaristen (m/w) es doch gut getroffen.
Frau W. steigt ziemlich rasant in die Präliminarien: Diese Formulare müssten..., die Toiletten befinden sich am Ende des Ganges, ein Bäcker 5 Minuten Fußmarsch in diese, ein Getränkeshop 3 Minuten in jene Richtung. Der Fahrstuhl sei bereits seit Wochen kaputt.
Nun aber mit Hurra aufs eigentliche Thema. Damit Strategien auch greifen, betrachte man zunächst einmal das Schlachtfeld, auf das die Strategien gemünzt sind - den Arbeitsmarkt. (Der Arbeitswillige hält es in Bezug auf Pläne und Strategien mit dem ollen Preußenmarschall von Moltke. Der sagte: Kein Plan überlebt die erste Feindberührung. Aus seminartaktischen Erwägungen behält der Arbeitswillige diese Erkenntnis allerding für sich.)
Jaja der Arbeitsmarkt. Hier findet Frau W. eine schlüssige Analogie.  Der Jobmarkt sei wie die Wohnungssuche. Man starte mit der Maximalerwartung, das heißt 4 Zimmer Altbauwohnung mitten in der City, mit Autostellplatz für 800 € warm. Haha ein Mythos. Leider habe wohl jeder von jemandem gehört, der so etwas gefunden hat. Jaja ein Mythos. Die Runde nickt versonnen bis sich ein Teilnehmer mit Philosophiestudium meldet und fragt, was in dieser Analogie denn die anwesenden Seminaristen seien?  Ob sie die Suchenden oder womöglich doch die Wohnung seien?
Die Analogie ist am Ende.
(Weiter mit der II. Abteilung)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen tollen Blog! War der Maßnahmeträger etwa Mikropartner Service GmbH? Habe demnächst das unsagbare Vergnügen, auch in die Geheimnisse der "Selbstvermarktungsstrategien für Akademiker" eingeweiht zu werden... Kann es kaum erwarten!
Und es tut gut zu lesen, dass man nicht allein in diesem Wahnsinn feststeckt. Hab lange nicht mehr so gelacht, obwohl es eigentlich gar nicht mehr lustig ist. Bitte weitermachen. Ich werde in Zukunft öfter vorbeischauen!

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen tollen Blog! War der Maßnahmeträger etwa Mikropartner Service GmbH? Habe demnächst das unsagbare Vergnügen, auch in die Geheimnisse der "Selbstvermarktungsstrategien für Akademiker" eingeweiht zu werden... Kann es kaum erwarten!
Und es tut gut zu lesen, dass man nicht allein in diesem Wahnsinn feststeckt. Hab lange nicht mehr so gelacht, obwohl es eigentlich gar nicht mehr lustig ist. Bitte weitermachen. Ich werde in Zukunft öfter vorbeischauen!