Es gibt ja so viel zu beachten, wenn es darum geht, sich
zielführend zu bewerben. Zunächst einmal das Anschreiben. "Sprechen Sie
den Adressaten persönlich an. Gehen Sie auf das Unternehmen und die
Anforderungen ein. Persönliche Verkaufsargumente können Sie so maßgeschneidert
für die ausgeschriebene Stelle anbringen. Argumentieren Sie, wie Sie mit
welchen Fähigkeiten und Erfahrungen Erfolg und Reichtum des Unternehmens
fördern wollen. Belegen Sie das mit Beispielen."
Trefflicher Stil und Rechtschreibung ist Pflicht. Die Schrifttype ist von einiger
Relevanz. Das Seitenlayout ebenso. Aber bitte nicht mehr als eine Seite, denn
sonst falle der Personaler (m/w) in eine Art unwilliges Textkoma. Derartige
Hinweise, lassen sich selbstverständlich auch aus diversen schlaumeiernden
Ratgeberpublikationen zusammenfegen. Aber es ist weitaus nachhaltiger, wenn
derartiges aus kompetentem Munde von einer real existierenden Person
dargereicht wird. Weiter mit dem Lebenslauf. Wie soll der aussehen. Ein sympathisches
Foto darf es schon sein. Ob man verheiratet sei- so etwas will der Personaler
(m/w) selbstverständlich wissen, wie man eventuell nicht gar so vorteilhafte
Lebensphasen auf positiv drechsle - dafür gibt es Handreichungen und
Formulierungshilfen. Alles voll kompatibel mit der Mainstreamstrategie.
Muss das letzte Grundschulzeugnis erwähnt werden? Die
Abiturnote? Fragen über Fragen. Und Hinweise auf berufliche Erfolge sind gern
gesehen. Aber auf keinen Fall mehr als 2 Seiten, sonst kriegt der Personaler
(m/w) Burnout. Allmählich gewinnt der Personaler (m/w) in der Vorstellung der
Teilnehmer Kontur: Der Personaler (m/w) ist etwas, das bestimmte Schlüsselreize
braucht und diese auch erwartet. Bekommt er/sie das nicht kredenzt, wird er unwillig - sehr
zum Schaden des Bewerbers. Alles hat seine (Spiel)Regeln. Wer die nicht
beherrscht, wird vom Platz gestellt.
Die Bewerbungszauberlehrlinge haben nun die grundlegenden
Spielregeln begriffen und werden sie auch anwenden, weil sie ja wissen, dass
nur so aufbereitet der Personaler (m/w) die Informationen zu Person und
Werdegang überhaupt aufnehmen kann. Aber weil der Kandidat (m/w) alles so
trefflich aufbereitet hat, kann der Personaler gar nicht umhin, zum
Bewerbungsgespräch vorzuladen. Hier nun tritt der Kandidat vor den Personaler
(m/w), nackt und bloß wie beim jüngsten Gericht. Das ist nicht sooo schön, eher
von mulmigen Gefühlen begleitet. Denn auch hier gibt es vieles zu beachten.
Aber keine Angst. In großer Not ist Hilfe nah. Lernbare Regeln auch hier. Etwa:
Das schöne Händchen reichen, Kaugummi aus dem Maul, angemessene Kleidung ...
die Basics. Sicher auch, dass der Personaler (m/w) das Gespräch mit einer
WarmUp-Phase beginnen wird. Er/Sie wird fragen, ob man gut hergefunden habe, ob
die Anreise angenehm verlaufen sei und dergleichen mehr. Nun sei es allerdings
hier nicht geboten, die Wahrheit aufzublättern. Der ICE habe Verspätung gehabt,
der Anschluss nicht geklappt. Die A 1 bis X sei mal wieder zugestaut gewesen,
die Tragflächenenteisung habe sich über Gebühr hingezogen. All das will der
Personaler nicht im Detail wissen. Selbst wenn der Termin auf der letzten Rille
noch geschafft wurde - besser man lege sich eine Geschichte zurecht, die
angenehm und entspannt klingt, um flugs eine frohgemute und positive Atmosphäre zu erzeugen. Denn die ersten Sekunden - wie
man weiß - sind die wichtigsten. Man könne etwa lobende Worte über den
architektonisch gelungenen Eingangsbereich des Unternehmens, den hilfreichen
Empfang finden und dergleichen mehr. Übertreiben solle man aber nicht. Augenkontakt halten. Nicht wild gestikulieren.
Die hohe Schule der Bewerbungsgespräche sei es, die Körperhaltung des
Gegenübers zu "spiegeln". Aufmerksamkeit signalisieren. Überhaupt sei das
Signalisieren ganz prima. Aber bitteschön nur das, was beim Personaler (m/w)
angenehme Gefühle auslöst. Ein Gespräch bestehe schließlich nicht nur aus dem
Austausch von Sachinformationen. Der sublime Subtext sei wichtig, vielleicht
sogar entscheidend. Der Personaler wird Fragen stellen. Damit sei zu rechnen.
Man müsse sich da aber nicht ins Bockshorn jagen lassen, denn der Personaler
(m/w) arbeite mit einem erprobten Fragenkatalog aus dem Baukasten der
Spielanleitungen. Und weil die Kandidaten (m/w) darüber - nicht zuletzt durch
dieses Seminar - aufgeklärt werden, habe das Prozedere einen Großteil des
Schreckens verloren, beruhigt die Seminarleitung. Der Fragenkatalog, auf den
zurückgegriffen werden kann, ist umfänglich. Schließlich haben Personaler (m/w)
Interesse daran, den Kandidaten rundum einzuschätzen, nicht nur Fachkenntnisse
heraus zu kitzeln, nein, die Persönlichkeit ist entscheidend. Sehr komplex das alles. Bei komplexen aber positiven
Persönlichkeiten, da sind die Personaler(m/w) in ihrem Element. Die erfassen sie
in allen Nuancen. Müssen sie auch. Eine Stellenbesetzung sei schließlich teuer.
Entpuppe sich der Kandidat später als Missgriff, das fiele dann dem
Personaler(m/w) auf die Füße, dann setzte es Mecker vom Vorgesetzten. Das will
er schließlich nicht, der Personaler (m/w). Da müsse der Bewerber (m/w) schon
Verständnis haben, dass sein Gegenüber sich da gern auf der sicheren Seite
bewegen wolle und seinerseits in der
Praxis erprobte Fragen aus dem üblichen Katalog stelle. Aus dem Fragenkanon ragt eine Frage heraus,
die Killerfrage: Was sind Ihre Stärken
und was Ihre Schwächen? Die Stärken? Das ist relativ einfach. Da kann man
sagen, man sei teamfähig, organisiert, kreativ etc. weil man das schon mal so
und so angepackt und erfolgreich umgesetzt habe und überdies noch die
caritative Tombola beim Pfarrfest.. bliblablubb. Aber die Schwächen! Wer redet
schon gern mit wildfremden Menschen über seine persönlichen Schwächen? Die
Seminarleiterin kann auch hier beruhigen. Der potenzielle Arbeitgeber wolle eigentlich nur wissen, ob man bei sich
Schwächen erkannt habe und man auf
bestem Wege sei, diese abzustellen und im Idealfall sie bereits ausgemerzt
habe. Die Frage wird zwecks Praxiserprobung in die Runde gestellt. Ein
Teilnehmer merkt an, dass , wenn er doch Schwächen bei sich so und so vernichtet
habe, es ja keine Schwächen mehr sind.
(Präsenz). Zu spitzfindig dieser Einwurf? Da bemerkt die Leitung sinngemäß,
man solle die Fragen nicht zu wörtlich nehmen, sondern den Sinn hinter dem
Wortsinn erspüren. So seien nun mal die Spielregeln.
Als die Reihe an den Arbeitswilligen kommt, verkneift er
sich folgende Antwort: Sehr geehrter Personaler (m/w), zu meiner Schwäche - es
fällt mir im Augenblick schwer, diese Ihre platte Standardfrage ernst zu
nehmen. Aber ich arbeite daran! Ehrlich! Stattdessen sagt er: Ich habe eine große Schwäche für gute Ideen,
gut strukturierte Prozesse und formidable Ergebnisse. Zu meinen Stärken gehört, dass ich Fragen
sehr gut auf ihre Relevanz abklopfen kann und mein Verhalten danach ausrichte.
Die Seminarleitung sagt: Beispiel bitte. Der Arbeitswillige antwortet: Zum
Beispiel werde ich auf die Frage nach meinen Stärken und Schwächen so nicht
antworten. Leider hätte so eine Antwort gemäß
den Spielregeln wohl einen Platzverweis zur Folge, deutet die Seminarleitung
an. Es sei denn, man hätte ein humorbegabtes und gleichsam souveränes
Gegenüber. So etwas sei allerdings die Ausnahme. Wiewohl derartige Fragen aus
dem Satzbaukasten eher von Unerfahrenen, Uninspirierten und allgemein
Denkfaulen gestellt werden. Das ist aber nicht schön, denkt sich der
Arbeitswillige, wenn der Bewerber (m/w) anhand der gestellten Fragen, die er/sie
als aus dem Standardbaukasten stammend
identifiziert hat, erkennen muss, der Personaler (w/m) ihm gegenüber ist Novize
in seinem Job, schlimmstenfalls ein Stümper im
Bewerbungsgesprächführenexperimentierstadium.
Was macht man da? Wie kann man den längeren Hebel auf ein faires Maß
bringen?
So ziehen die Stunden ins Land. Sind derartige Seminare
für die Katz? Klares Nein. Solche Seminare finden landauf, landab statt. Sie
sind Teil einer Berater- und Helferindustrie, die zahlreichen, in ihr tätigen Menschen Lohn und Brot bringen. Man stelle sich nur vor,
jedermann (m/w) würde sich der
Hilfestellung mit Hinweis auf deren fragwürdige Wirkung verweigern. Dann
fluteten die konsequenterweise aus dieser Industrie Freigesetzten wiederum den
regulären Arbeitsmarkt und spielten mit ihren Kenntnissen über die Strategien
zum Jobglück andere Bewerber, die diese
intimen Kenntnisse nicht besitzen, mühelos an die Wand. Folglich besser so als
anders. Der Arbeitswillige stellt sich vor, die Berufsbilder und
Qualifikationen seiner Mitbewerbungszauberlehrlinge im Innern Revue passieren
lassend, er hätte die Gelegenheit, eine
Frage direkt an den Arbeitsmarkt stellen zu können. Er fragte wie folgt:
Lieber Arbeitsmarkt, kannst Du es Dir überhaupt leisten, die mit magna cum
laude promovierten
(Natur)Wissenschaftler, die wegen familiärer Gegebenheiten, das Risiko
von befristeten Jobs im fernen
Takatukaland nicht annehmen können, zu ignorieren? Obwohl kompromisslose Mobilität
einfach dazu gehört? Kannst Du es
Dir leisten, die erfahrenen Ingenieure
jenseits der 50 liegen zu lassen, ebenso die jungen Mütter, die obwohl
hochqualifiziert, vorübergehend nur Teilzeit arbeiten können? Was machst Du mit
den von ersten mehr als missvergnüglichen Arbeitsbedingungen nahezu
traumatisierten Berufsanfängern? Lautete die Antwort "Ja, das geht. "
sind die Bewerber ok. Du aber, verehrter Arbeitsmarkt hast mit Verlaub den
Arsch offen. So spräche der Arbeitswillige. Der Arbeitsmarkt würde mit seinen
schmächtigen Schultern zucken und sich trollen.
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