Jobanzeigen. Prima Prosa für Arbeitswillige.
Unternehmen informieren potenzielle Mitarbeiter gerne über die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um für ein etwaiges Engagement in Betracht gezogen zu werden. Diese Texte – ob im Netz oder im Print – zu formulieren ist offenbar mühsam. Sie zu entschlüsseln ebenfalls. Welche Absicht mag sich tatsächlich hinter ihnen verbergen? Gibt es einen Code, der nur der Bruder- oder Schwesternschaft Eingeweihter zugänglich ist? Möglicherweise verhält es sich so. Denn so kann der Bewerberkreis von vornherein enger gefasst werden. Wie das funktioniert (oder auch nicht) - einige Beispiele.
Auf einer Branchenplattform fand ich wiederholt Annoncen einer TV-Produktionsfirma mit Sitz in Köln, die sich vor allem durch eine Gemeinsamkeit auszeichnete:
In wenigen Zeilen haben die einzelnen Annoncen es geschafft, mindestens 2 schwerwiegende Rechtschreibfehler zu versammeln.
Angelegentlich habe ich den Geschäftsführer darauf angesprochen und der sagte ganz launig: Das macht doch nichts. Wir machen Fernsehen. Da kommt es auf so etwas doch nicht an. Außerdem sei das Formulieren derartiger Anzeigen Sache der Praktikanten.
In diesem Falle ist die unausgesprochene Botschaft klar: Für das Fernsehen, wie diese Produktionsfirma es versteht, ist die Beherrschung wesentlicher Kulturtechniken nicht wichtig.
Überaus „sophisticated“ wird es, wenn ausgewiesene Kommunikationsprofis Anzeigen formulieren. Da steht im Anforderungsprofil der namhaften PR-Agentur fischera. folgender Satz:
„Verschreibungspflichtige Medikamente, OTC-Produkte und Gesundheitspolitikgehören zu Ihren Lieblingsthemen."
Soso, verschreibungspflichtige Medikamente! Das ist selbstverständlich eine Aufforderung endlich einmal sein Verhältnis zu derartigen Heilmitteln zu überprüfen.
Aber vielleicht möchte fischera. lediglich die Satirefestigkeit der Kandidaten testen?
Ich schrieb also zurück:
„Sehr geehrte Frau L. ,Ihrem Stellenangebot in "newsroom" entnehme ich, dass Sie jemanden suchen, der oder die verschreibungspflichtige Medikamente zu seinen/ihren Lieblingsthemen zählt.Zitat:"Verschreibungspflichtige Medikamente, OTC-Produkte und Gesundheitspolitik gehören zu Ihren Lieblingsthemen."Verschreibungspflichtige Medikamente als Lieblingsthema sind meiner Meinung nach ein ausgesprochen exotisches Gebiet. Die meisten Bewerber werden auf hartnäckiges Nachfragen Dinge wie gutes Essen, Literatur, Sport, vielleicht Numismatik und dergleichen als Lieblingsthemen einräumen müssen. Mir geht das ähnlich ( ausgenommen Numismatik ). Allerdings muss ich eingestehen, ich kann nicht ausschließen, dass verschreibungspflichtige Medikamente doch zu einem meiner Lieblingsthemen avancieren könnten. Letztlich habe ich sehr gute Erfahrungen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gemacht. Außer bei dem Mal, als sich ein nässender Ausschlag bildete - wo, verrate ich Ihnen aber nicht.Deshalb möchte ich Sie bitten, mir eine Chance zu geben. Im Erfolgsfall gewinnen Sie einen Mitarbeiter, der sich hingebungsvoll mit jeder Faser seines Seins der Sache der verschreibungspflichtigen Medikamente widmet.Über eine Antwort freue ich mich sehr.“
Mit meiner Annahme, fischera. wolle meine Satirefestigkeit abfragen, lag ich allerdings daneben. Frau L. forderte mich nüchtern auf, meine vollständigen Bewerbungsunterlagen zu senden. Danach hörte ich nichts mehr von Frau L. von fischera. Die einfachste Erklärung wäre hier zugleich eine betrübliche.
Die Mädels und Jungs in den HR-Abteilungen wissen weder was sie da formulieren, noch verstehen sie es, Antworten zu lesen.
Dass global agierende Unternehmen wirklich global fühlen, denken und fordern, bekommt der interessierte Arbeitswillige sogleich durch den globalen Duktus des Textes vermittelt. So sucht das große, global aufgestellte TK-Unternehmen mit Sitz in Bonn einen:
„Fach Senior Manager Business Development“
Senior Manager Business Development ist halbwegs verständlich. Was aber bedeutet “Fach”? Selbst durch intensives Studium englisch/amerikanischer Wörterbücher wurde mir der Sinn nicht klar. Gibt es ein derartiges Wort im Englischen überhaupt? Ist das womöglich einer dieser oben bereits erwähnten Geheimcodes? Und wenn ja, wie sprechen die bei der Telekom es aus?
Fäck? Fack?
Unternehmen haben ja auch eine Mission (sprich: mischn). Die fragliche Position – Fack Senior Manager…- ist eingebettet in die Mission „Superior User Experience & Simplicity“. Weiter unten wird es dann noch genauer: Der fragliche „Bereich“ (man hätte auch „department“ texten können) heißt „Content & Media Partnering“.
Zurück zur Mission. Eine Mission zu haben ist klasse und ein „musthave“. Zumal versehen mit dem Attribut „Superior“. Das klingt sphärenschauend und scheint sich um höhere Stufen der Wahrnehmung zu bemühen.
Auf der anderen Seite dann das bodenständige „Simplicity“. Es geht also auch um Einfachheit und Reduzierung und nicht nur um Durchgeistigtes.
Folglich dürfen sich auch reine Simpel angesprochen fühlen?
Nun liegt es ja im Trend, einfache Lösungen finden zu wollen. Die Lebenserfahrung zeigt, dass gerade faule Menschen eher in der Lage sind, einfache Lösungen zu finden, weil direkte, wenig komplizierte Wege ihrem Naturell am ehesten entsprechen. Hingegen verlaufen sich hochmotivierte, fleißige und ehrgeizige Menschen gerne in Detailhubereien. Das hält sie in Bewegung, das lässt sich in ihrer Organisation prima nach oben melden. Das bringt letztlich Renommee.
Aber nein. Produktive Faulheit ist hier nicht gefragt, sondern:
„ Hohes Engagement und Belastbarkeit sowie hohe kommunikative Fähigkeiten“
Fraglos, die Mission „Superior User Experience & Simplicity“ hat was. Um der Mission zum durschlagenden Erfolg zu verhelfen, fehlt aus meiner Sicht allerdings noch die Hinzuziehung des Bereiches (Departments) „Pomp & Circumstance“. Den gibt es noch nicht? Nun aber mal flott! Sonst wird das nichts.
Anton Strumpf freut sich auf Ihre Geschichten.
Als Kommentar oder als Mail ananton.strumpf@googlemail.com
Samstag, 18. Juli 2009
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1 Kommentar:
Hallo Anton Strumpf, das nenne ich mal einen vergnüglichen Blog zumal wirklich aus dem Leben gegriffen. Ich habe so eine Karriere als Empfänger sprachlicher und sinnferner Fragwürdigkeiten bzw. Orthographie, Stil, Satzbau, von Höflichkeit und sowas wie einer Ahnung von guter Kommunikationskultur völlig zu schweigen.
Es begann vor vielen Jahren, als ich mein Kunstgeschichtsstudium mit summa cum laude/Promotion abgeschlossen hatte und mich in das Bewerbungskarussel setzte. Das Landesmuseum Hannover beschied mir auf meine Anfrage warum man mich ablehnen würde für einen subalternen Job als Museumsvolontär: "Wir nehmen grundsätzlich keine Einser-Kandidaten. Mit denen hat man nur Ärger." Kann sein, dass sich deren Haltung nach nunmehr fast 20 Jahren geändert hat. Ich hatte kein Interesse mehr an diesem Verein, aber ich hatte immerhin einen Vorgeschmack bekommen, welche absonderlichen Kriterien der Anstellungsvergabe mich noch erwarten würden. Gerne sieht es auch ein Unternehmen, wenn der Bewerber zwar eine hohe Qualifikation mitbringt, charakterlich aber im Rückgrat mindestens so biegsam ist wie ein Sherpa. "Wir formen gerne selbst aus dem Rohmaterial" ist auch so ein Satz aus der Firmenbibel eines bekannten Messeunternehmens.
Tja, sich der Thematik mit gesundem Menschenverstand nähern zu wollen erscheint als eine Contradictio in se. Allein aus dem Grund, weil es durch seltsame Umstände manchen gelungen ist, vorderste Plätze zu besetzt zu halten, ganz ohne gesunden Menschenverstand. Leider behalten die wenigsten dieses Defizit für sich und verdummbreiten sich. Da bleibt für einen selbst dann nur noch das Fremdschämen.
Freu mich auf Ihre Fortsetzungen.
Besten Gruß Alex Bickmann, ebenfalls mit im sturmumtosten Boot.
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