Liebe Mitarbeitswillige. Man kann nicht genug betonen und
raten: Informiert Euch über die Firmen, bei denen Ihr Euch bewerbt. Nicht nur,
damit das Anschreiben famos auf den Bedarf des Jobanbieters hin getextet wird
oder damit Ihr beim Interview mit
Detailkenntnissen glänzen könnt. Nein.
Informationen über das annoncierende Unternehmen dienen mitunter dazu, dem Unternehmen im Vorfeld und mental den Mittelfinger zu
zeigen. Ein Beispiel:
Auf dem Jobportal "StepStone" findet der
Arbeitswillige eine feine Annonce. Es werden Redakteure und Rechercheure
gesucht für das Themenfeld Corporate Communication.
Bündeln und sichten wird die eingehenden Bewerbungen ein
Recruiter namens 'S.V.' Ausgeschrieben
verbirgt sich dahinter ein lateinischer Terminus, der so viel bedeutet wie „
Die bedeutendsten Männer". Der Name
lässt schon mal auf ein anspruchsvolles Programm schließen. Leider dürfen sich
Frauen hier nicht angesprochen fühlen. Aber wer kann schon Latein?
Man wird nicht enttäuscht, besucht man den Webauftritt
von S.V. Das Impressum verrät, die S.V.
group residiert in Helena / Montana
US. Helena hat 28.000 Einwohner
und ist damit die Hauptstadt von Montana. Aber warum sollte da keine
Recruiter-Gruppe sitzen. Die angegebene Anschrift lässt allerdings schmunzeln - Last chance gulch. Somit haben
wir die bedeutendsten Männer in der Schlucht zum letzten Ausweg. OK, das kann man bezeichnend finden.
Vielleicht ist es aber purer Zufall. Wer weiß. Jedenfalls gibt es auch ein Büro
in Augsburg/ Germany. Dort heißt der Ansprechpartner Herr D. Jo.
Herr Jo. gibt allerdings keine Festnetznummer, sondern lediglich eine
Mobilnummer an, neben einer Mailadresse. Für welche Firma er sucht, sagt er in der
Anzeige allerdings nicht.
Das ist lediglich der erste Punkt, der stutzen lässt. Ein
weiterer findet sich in der Qualifikationsbeschreibung. Hier heißt es: "Sie haben ein Gespür für Geschichten, Menschen, Schicksale und Skandale".
Bitte? Skandale? Bei Corporate Communications geht es gerade
nicht um Skandale. Darum darf es nicht gehen. Diese Anforderungen passen eher zu
reißerischen Boulevardmagazinen.
Verstörend findet das der Arbeitswillige. Welches Unternehmen verbirgt
sich also hinter der Suche? Ein Zufall kommt zu Hilfe. Beim Ausdruck der
Annonce erscheint ganz oben rechts folgende Info. "StepStone- Ihr neuer
Job bei Firmenw. AG."
Die Firmenw.AG präsentiert sich auf ihrer Homepage als
Unternehmensberatung. International
aufgestellt mit einem verwirrend vielfältigen Leistungsspektrum. Was es mit den Skandalen auf sich hat, das
will man doch wissen. Unter der
Zentralnummer meldet sich ein Herr B.
Weil auch auf der Website nach Redakteuren gesucht
wird, fragt der Arbeitswillige nach einem Ansprechpartner. Das sei der Herr D. Jo.
(Kennen wir aus
der StepStone Anzeige) Frage: Warum gibt der Herr Jo. denn nur eine
Mobilnummer an? Weiß der Herr B. nicht.
Gehört der Herr
Jo. denn zur Firma? Ja, wahrscheinlich. Frage: Warum sucht dann Herr Jo.
unter dem Dach der Recruiting Firma S. V. ? Das weiß der Herr B. auch nicht. Er
sei nur der Systemadministrator.
Frage: Wenn es doch
um Corporate Communication geht, was soll dann ein Gespür für Skandale in der
Qualifikationsbeschreibung? Da stutzt
der Herr B. und findet das auch seltsam. Wahrscheinlich habe der Herr Jo. die Anzeige
auch gar nicht formuliert. Frage: Kann er mich mit demjenigen verbinden, der die
Anzeige formuliert hat, bzw. den Inhalt abgenommen hat? Da müsse er sich zunächst rückversichern,
sagt Herr B.
3 Minuten lang gibt es die Ansage “Ihr Gespräch wird gehalten”. Dann tütütüt.
Geschäftsführerin
der Firmenw. AG ist eine A.v.H. . Nach
ein wenig Recherche findet sich ein Artikel auf einer britischen Finanzseite, auf der die Namen A.v.H. und R.v.H.
auftauchen.
Überschrift: 'Bankruptcy tourism' crackdown shuts 61
companies "
Weiter:
"The firms were linked to R.v.H and A.v. H.,
both German citizens and business advisers in that country. They recommend that
companies adopt British status. ......I t is thought that this was a way of transferring
the domicile of a troubled German company to Britain and then using British
bankruptcy law to go bust.
The technique is known as ‘bankruptcy tourism’.
Companies employ this technique to use British law to go bust in a pre-pack
insolvency, which means they can shuffle off creditors and then be relaunched
free of debt.
It is thought the 61 companies would have been
used for similar bankruptcies.
They were all closed after the Insolvency
Service sought a court order to wind them up for a series of offences,
including filing false information at Companies House and failure to co-operate
with its investigators.
At one time all 61, which were dormant
businesses, gave their registered address as a small office in a residential
street in Kenilworth, Warwickshire."
Wer sich jetzt noch die Mühe macht, die offiziellen
Bekanntmachungen der Firmenw. AG im 'Bundesanzeiger' nachzulesen, kann zu dem
Schluss gelangen: Naja, soooo mächtig
und erfolgreich wie dargestellt ist das Unternehmen von A.v.H offenbar nicht.
Allerdings. Vor diesem Hintergrund hat die Qualifikation,
die ein Bewerber mitbringen sollte, "ein Gespür für Skandale", dann doch ihre Berechtigung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen